„Ändern kannst du nur die Zukunft“

von Redaktion

Neu-Löwe Yannick Deichmann im Interview über Osnabrück, Geduld und Ziele

München – „Be patient“, sei geduldig, hat sich Neu-Löwe Yannick Deichmann (27) auf den rechten Oberarm tätowieren lassen: Eine Devise, wie sie nicht besser zum TSV 1860 und Deichmanns Situation als Aushilfs-Rechtsverteidiger passen könnte. Das Interview:

Yannick Deichmann, sind Sie ein ungeduldiger Mensch, oder wie ist Ihr Tattoo zu verstehen?

Ich habe mir das vor vier Jahren stechen lassen, als ich von Aalen aus der Dritten Liga in die Regionalliga zu Lübeck gewechselt bin, um einen neuen Anlauf zu nehmen. Wir sind 2020 dann auch aufgestiegen, das waren tolle Monate, in denen ich gemerkt habe, dass es sich lohnt, dranzubleiben für ein Ziel. Das Tattoo steht dafür, dass man sich nie zu schade sein sollte, einen Schritt zurückzumachen, um zwei nach vorne zu kommen.

Wie strapazierbar ist Ihre Geduld?

Ich würde mich als positiven, ausgeglichenen Menschen bezeichnen, der schon einiges aushält. Dazu bin ich keine 20 mehr, sondern 27, für einen Fußballer also schon im fortgeschrittenen Alter. In Sachen Geduld habe ich einiges gelernt über die Jahre.

Sie wurden als Offensivkraft mit acht Saisontoren aus Lübeck verpflichtet, doch Michael Köllner stellte Sie schon in der Vorbereitung auf die Position des Rechtsverteidigers, um für den verletzten Marius Willsch einzuspringen. Hätten Sie sich vorstellen können, dass das Ganze bis November anhalten würde?

Ich bin als Stürmer gekommen, aber das heißt nicht, dass ich nur so einsetzbar bin. Mein Denken ist teamorientiert, nicht ichbezogen. In St. Pauli habe ich 2015 meinen Zweitliga-Einstand als Innenverteidiger gegeben, eine gewisse Flexibilität ist also schon vorhanden (lacht). Grundsätzlich bin ich so gepolt, dass ich meine Stärken dort einbringen will, wo ich gebraucht werde. Ich sehe das auch als fußballerische Weiterbildung.

Fühlen Sie sich inzwischen mehr als Verteidiger denn als Angreifer?

Nein, so weit geht es noch nicht. Aber ich fühle mich wohl, weil ich bei allen defensiven Aufgaben ja auch immer wieder die Möglichkeit habe, nach vorne zu gehen. Davon abgesehen empfinde ich es als Ehre, für einen so großen Verein wie 1860 spielen zu dürfen. Die vielen Einsätze sind eine Bestätigung für meine Arbeit, dafür bin ich dankbar.

Nun, da Willsch wieder fit ist, könnten Sie bald nach vorne rücken. Gibt’s schon Anzeichen?

Im Training spiele ich nicht immer Rechtsverteidiger, aber das wird in der Liga auch von den Gegnern abhängig sein, ich sehe das nicht so eng. Soll ich jetzt den Trainer bequatschen? Das wäre nicht sinnvoll.

Wie schwer war es, mit dem 1:3 in Osnabrück in die Länderspielpause zu gehen?

Sauschwer! Wir hatten eine richtig gute Woche hinter uns mit den Siegen gegen Schalke und Freiburg II. Auch im Training lief’s top. Und dann so ein Rückschlag.

Wie ist die „Lethargie“ der Mannschaft zu erklären, die Trainer Michael Köllner als Grund für die Niederlage anführte?

Das ist abschließend nicht zu erklären. Ein Fehler hat zum nächsten geführt, Osnabrück hat das eiskalt ausgenutzt. Wir haben in der zweiten Halbzeit die Basics nicht mehr auf den Platz gebracht. So können wir uns als Sechzig München nicht präsentieren.

Köllner hat auch Selbst- kritik geübt, sein Coaching öffentlich und gegenüber dem Mannschaftsrat als einen der Gründe für die Niederlage benannt. Wie ist das angekommen?

Wir gewinnen und verlieren zusammen. Niemand darf sich aus der Situation rausnehmen, so sehe ich das. Wenn wir jetzt anfangen würden mit Schuldzuweisungen, dann führt das in die Selbstzerfleischung. Wir kommen nur gemeinsam raus.

Mit dem VfB Lübeck hatten Sie in der vergangenen Saison nach 14 Spielen nur einen Punkt weniger auf dem Konto als jetzt mit 1860. Für einen Aufsteiger war das durchaus respektabel.

Klar, die Erwartungshaltung ist hier eine ganz andere. Und das völlig zu Recht, wenn man sich unseren Kader ansieht. Sie können mir glauben, dass nicht ein einziger Spieler hier auch nur ansatzweise zufrieden ist. So eine Niederlage wie in Osnabrück bringt nur dann was, wenn wir draus lernen. Die Reaktion am Samstag und in den nächsten Wochen wird zeigen, was in uns steckt. Du kannst verlieren, entscheidend ist das Wie.

Duisburg, Havelse und Mannheim heißen die nächsten Gegner. Was muss rausspringen, um noch mal angreifen zu können?

Hochrechnungen bringen gar nichts. Es geht jetzt um Duisburg, der gesamte Fokus liegt auf Samstag. Und um noch mal auf die Geduld zu kommen, das ist mir wichtig. Geduld bedeutet nicht, alles hinzunehmen, sondern an Fehlern und Problemen zu arbeiten, ohne gleich alles infrage zu stellen. Ändern kannst du nur die Zukunft. Das ist jetzt unsere Aufgabe.

Interview: Ludwig Krammer

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