Berlin – Stefan Kuntz vertraute auf die Weisheit seiner Großmutter. „Glücklich“ und „zufrieden“ war der Trainer der türkischen Nationalmannschaft nach dem Einzug in die Playoffs zur Fußball-Weltmeisterschaft – und wollte sich die gute Laune auch nicht von den drohenden Duellen mit Europas Schwergewichten verderben lassen. „Meine Oma hat mir einmal gesagt: Um Dinge, die du nicht beeinflussen kannst, brauchst du dir keine Sorgen machen“, sagte Kuntz. Nur so viel: „Portugal oder Italien müssen es nicht unbedingt sein.“
Bei der Auslosung der Playoffs am 26. November entscheidet sich, welchen Weg Kuntz und die Türkei zur erhofften Qualifikation für das Turnier in Katar bestreiten müssen. Neben Europameister Italien und Portugal um Superstar Cristiano Ronaldo sind Schottland, Russland, Schweden und Wales mögliche Halbfinal-Rivalen. „Das sind alles starke Gegner“, sagte Kuntz.
Dass die Türkei überhaupt noch von der WM-Teilnahme träumen darf, ist auch Kuntz zu verdanken. Zehn von zwölf möglichen Punkten holten die Türken seit dem Amtsantritt des langjährigen Coaches der deutschen U21-Auswahl im September. Am Dienstag sicherte ein 2:1-Sieg in Montenegro den zweiten Platz Platz in der Gruppe G und das ersehnte Playoff-Ticket.
Das mediale Echo in der Türkei fiel euphorisch aus. „Warte auf uns, WM!“, schrieb die Zeitung „Hürriyet“. „Türkiye Spor“ schwärmte von der „Magie von Kuntz“. Der Deutsche selbst äußerte sich sachlicher. „Es war ein verdienter Sieg“, sagte Kuntz, der dieses Mal keine Tränen vergoss: „Ich verspüre nur tiefe Zufriedenheit, dass wir unser Ziel erreicht haben.“
Der Coach bilanzierte: „Ich kann in spielerischer Hinsicht und auch beim Teamgeist schon Fortschritte erkennen.“ Es sei aber auch noch in vielen Bereichen Luft nach oben: „Das ist aber auch normal, wenn man noch nicht so lange zusammengearbeitet hat.“
Italien und Portugal hatten die direkte Qualifikation angepeilt – und scheiterten. Bei den potenziellen Mitfavoriten auf den WM-Titel hat das große Zittern begonnen. Im Playoff-Format, in dem zwölf europäische Teams um drei Tickets kämpfen, könnten beide Mannschaften schließlich direkt aufeinandertreffen.
Superstar Ronaldo muss ernsthaft um seine fünfte WM-Teilnahme nach 2006, 2010, 2014 und 2018 bangen. „Das Ziel, bei der WM 2022 dabei zu sein, lebt immer noch“, schrieb CR7 bei Instagram: „Der Fußball hat uns immer wieder gezeigt, dass es manchmal die kurvenreichsten Wege sind, die zu den gewünschten Ergebnissen führen.“
Die Squadra Azzurra befürchtet in der Hoffnungsrunde derweil ein böses Deja-vu. Beim Desaster 2017 auf dem Weg nach Russland war Italien in den Playoffs an Schweden gescheitert. Den Helden der EM droht ein bitteres Erwachen.
Trainer Roberto Mancini übte sich dennoch in Optimismus. „Wir sind eine der besten Mannschaften in Europa. Ich bin sicher, dass wir zur WM fahren werden – und vielleicht gewinnen wir sie.“ Doch gab auch Mancini zu, die Lage sei „kompliziert geworden“. Ein Vorteil: Italien ist wie Portugal in Topf 1 gesetzt und hat zunächst Heimrecht. Robert Lewandowskis Polen und Österreich sind mögliche Gegner – oder eben die Türkei mit Trainer Stefan Kuntz. sid