„Diese Ignoranz ist ein Armutszeugnis!“

von Redaktion

DER FALL PENG SHUAI Dagmar Freitag kritisiert das IOC – WTA-Chef Steven Simon droht China

München – Nach Naomi Osaka (24) haben nun auch Alexander Zverev (24) und Serena Williams (40) Aufklärung im Fall der vermissten Tennisspielerin Peng Shuai (35) gefordert. Sie sei am „Boden zerstört und schockiert“, twitterte die 23-malige Grand-Slam-Siegerin, „dies muss untersucht werden, und wir dürfen nicht schweigen“. Die Weltmacht China, Ausrichter der Olympischen Winterspiele kommenden Februar, steht im Verdacht, Peng nach deren Missbrauchsvorwürfen gegenüber dem Ex-Spitzenpolitiker Zhang Gaoli (75) Anfang des Monats verschwinden haben zu lassen.

Daran ändert auch eine angebliche Mail Pengs nichts, die der chinesische Propaganda-Staatssender CGTN verbreitete. „Alle, denen die Werte des Sports wichtig sind, müssen sich zweifellos große Sorgen um Peng Shuai machen. Und der Fall passt in das Bild dieses Landes, das Menschen kaserniert, interniert und im schlimmsten Fall eben auch umbringt. Denn im Fall des Umgangs mit den Uiguren kann man aus meiner Sicht durchaus von Völkermord sprechen“, sagte Dagmar Freitag, Ex-Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, unserer Zeitung. „Das IOC duckt sich leider wie gewohnt weg. Diese Ignoranz ist ein Armutszeugnis! Denn niemand hat das IOC gezwungen, die Spiele erneut nach China zu vergeben.“

WTA-Chef Steven Simon drohte im CNN-Interview einen kompletten Rückzug der Damen-Tennistour aus China an. „Wir sind definitiv bereit dazu und würden alle Komplikationen, die das mit sich bringt, regeln“, sagte Simon. Der WTA würden laut Schätzungen mehrere Hundert Millionen Dollar flöten gehen, aber dies sei „größer als das Geschäft“, so Simon. „Frauen müssen respektiert und nicht zensiert werden.“

Freitag wäre positiv überrascht. „Wenn es so kommen sollte, wäre das ein guter und richtiger Schritt, weil erstmals ein Verband aktiv Verantwortung übernehmen und für die Werte, die man propagiert, einstehen würde.“ Auch die Vereinten Nationen und der Olympische Sportbund forderten am Freitag von China mehr Transparenz. Der Druck auf Staatspräsident Xi Jinping (68) und seine Kommunistischen Partei, die das Land autoritär führt, wächst. Selbst ein Olympia-Entzug scheint – wenn Peng nicht zeitnah wieder auftaucht – nicht mehr völlig abwegig, auch wenn Freitag (noch) nicht daran glaubt: „Eine solche Entscheidung läge ausschließlich in der Hand des IOC. Aber das ist unvorstellbar. Ich bin nicht so blauäugig, dass im Sport-Weltverband in absehbarer Zeit ein Wertewandel stattfindet.“

Einem diplomatischen Boykott, den US-Präsident Joe Biden (78) in Betracht zieht, kann die SPD-Politikerin viel abgewinnen: „So etwas hätte den Vorteil, dass nicht die Sportler bestraft werden. Wenn hochrangige Sportpolitiker, damit meine ich auch IOC-Präsident Thomas Bach, merken, dass sie mit ihren autokratischen Freunden allein auf der Ehrentribüne sitzen, wäre das ein starkes Zeichen“, so die 68-Jährige. China zensiert derzeit jede Debatte über den Fall. Suchen nach Pengs Namen oder nach #MeToo im Internet sind geblockt. Auch Screenshots von Osakas Twitter-Beitrag werden entfernt. Selbst der TV-Sender CNN war nicht empfangbar. MATHIAS MÜLLER

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