Hamiltons einsamer Kampf

von Redaktion

FORMEL 1 Viel kritisiertes Rennen steigt in Katar – die Probleme spricht nur der Weltmeister an

Doha – Die meisten Fahrer schwiegen, flüchteten sich in allgemeine Aussagen – nur Lewis Hamilton füllte den Vorsatz der Formel 1 ein wenig mit Leben. Sollte die Königsklasse in Katar fahren? Kann der Sport helfen, ungerechte Systeme zu verändern? Das seien „schwierige“ Themen, sagte Hamilton, doch er sprach darüber.

„Wenn es in den Ländern, die wir besuchen, Probleme gibt, dann müssen wir als Sport darüber sprechen“, sagte der Rekordweltmeister am Losail Circuit. Und erklärte auch, warum: „Es gibt viel schlauere Leute, die im Hintergrund wirksamer für Veränderungen kämpfen. Aber wir können für das Rampenlicht sorgen, das den Wandel beschleunigen kann.“

Hamilton sprach auch über das missbräuchliche Kafala-System, das in vielen Ländern des Nahen Ostens für die Ausbeutung von Arbeitsmigranten sorgt: „Sie versuchen, das hier zu verbessern, das geht nicht über Nacht, es ist noch ein weiter Weg.“

Die Formel 1 verdient sehr viel Geld mit ihren drei abschließenden Saisonrennen in Katar – Die Rennkommissare entschied, dass Max Verstappen nach dem harten Duell mit Hamilton beim Großen Preis in Brasilien ohne Strafe bleibt –, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Beteuert aber auch, ihren Teil zur Veränderung beitragen zu können. Diese könne beschleunigt werden durch die Aufmerksamkeit, die große Sportereignisse bringen, sagt Formel-1-Chef Stefano Domenicali, „und wir werden da eine wichtige Rolle spielen“.

Dazu, stellen Menschenrechtler immer wieder klar, müssen die Akteure die Themen aber auch ansprechen, ihre Plattform nutzen, Druck ausüben. Und in Katar hielten sich Hamiltons Kollegen nun deutlich zurück.

Auch Sebastian Vettel wollte kaum etwas beitragen, es sei eine Frage für den Sport als Ganzes, nicht für ihn persönlich. Das überraschte etwas, noch vor wenigen Wochen hatte er sich in der New York Times deutlicher geäußert. Das viele Geld, das die Formel 1 in Ländern wie Katar verdiene, sei „nicht besonders rein“, sagte er unter anderem.

Experten zeichnen indes ein geteiltes Bild von dem Einfluss, den Großevents auf derart komplexe politische und gesellschaftliche Systeme haben können. Katar wird im kommenden Jahr die Fußball-WM ausrichten, und seit 2017 gebe es in Katar in der Tat „Bewegung in Sachen Menschenrechte“, sagte Katja Müller-Fahlbusch. Die Expertin für die Region Naher Osten bei Amnesty International sieht die Reformen als „auf dem Papier substanziell“.

So sei Katar das einzige Land in der Region, das sich an Veränderungen des Kafala-Systems, welches auch das Arbeitsrecht regelt und einseitige Abhängigkeitsverhältnisse schafft, heranwage.

Doch der tatsächliche Fortschritt stagniere, ohnehin würden Änderungen vor allem im Schlaglicht der Fußball-WM umgesetzt: Für „98 Prozent der ausländischen Arbeitskräfte“ habe sich nicht viel geändert. Auch mit Blick auf Frauenrechte, gleichgeschlechtliche Handlungen sowie Meinungs- und Pressefreiheit bleibe die Lage in Katar „schwierig“. Im vergangenen Jahr sollen 50 Arbeitsmigranten gestorben sein. Das geht aus einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) hervor.

Menschenrechte, so die Expertin, müssten daher vor der Vergabe von Sportveranstaltungen eine Rolle spielen „und nicht erst danach“. Sonst bleibe oft nur die Möglichkeit, „die Scherben aufzusammeln. Und das Beste daraus zu machen.“ Hamilton hat das wenigstens versucht.

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