Abschied von der Normalität

von Redaktion

In den Eishallen wird es demnächst wieder weniger stimmungsvoll zugehen

VON GÜNTER KLEIN

München – Noch einmal die großen Emotionen und die üblichen Siegerbilder. Als beim DEL-Spiel zwischen München und Augsburg Andrew McWilliam und Matt Puempel nach kurzer Verabredung die Handschuhe fallen ließen, wurden sie von den Rängen bei ihrem Faustkampf angefeuert (und der Punktsieg des Lokalmatadoren McWilliam bejubelt). Und nachdem die Münchner den knappen Derbysieg, ein 4:3, eingetütet hatten, nahmen einige der Spieler von den Partnerinnen den mitgebrachten Nachwuchs auf den Arm und glitten mit ihm übers Eis.

Die ganze vergangene Saison war das Family-Programm nicht möglich gewesen, da die Eishallen auch den Angehörigen verschlossen geblieben waren. Und in diesem Spieljahr ist die Freude über die Rückkehr der Normalität von kurzer Dauer. Zwar muss der Bayerische Landtag heute noch absegnen, was das Kabinett an Beschlüssen Ende vergangener Woche vorgelegt hat, doch die Mehrheitsverhältnisse in der Landespolitik sind bekannt. Ab Mittwoch wird das Eishockeyleben also absehbar wieder ein anderes sein.

Es soll keine Geisterspiele geben wie 2020/21, doch die Kapazitäten der Hallen werden in Bayern auf 25 Prozent beschränkt. Das trifft Standorte wie Augsburg (Zuschauerschnitt 4541), Straubing (3601) und Ingolstadt (3029), die nun nur noch zwischen 1500 und 1100 Plätzen anbieten dürfen. Und auch München, das von den bayerischen Vereinen am stärksten unter der Zurückhaltung der Zuschauer leidet (Schnitt bislang 2287, vorletzter Platz in der DEL), wird sich einschränken müssen. Die gut 1500, die dann noch in die Olympiaeishalle am Oberwiesenfeld dürfen, hat der EHC selbst in seinem am schwächsten besuchten DEL-Spiel (Bietigheim an einem Dienstagabend) noch überboten. Familienanhang wird künftig wieder zu Hause bleiben. Die neue Zeitrechnung, von der man noch nicht weiß, wie lange sie andauern wird, beginnt am Mittwoch (18 Uhr) mit dem Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen den HC Fribourg-Gotteron. In der Schweiz, wo er vor einer Woche 4:2 gewann, konnte der EHC vor fast 6000 Zuschauern antreten.

„Es war ein großer Schritt von null in der vergangenen Saison auf den Status, den wir zuletzt hatten“, sagt Münchens Trainer Don Jackson. Dass in seiner Mannschaft die Stimmung sinken wird, wenn in Heimspielen die Tribünen noch spärlicher besetzt sein werden, glaubt er nicht. Das habe die Erfahrung aus der Geistersaison gelehrt: „Wenn der Puck eingeworfen wird, ist das Spiel so wie immer.“ Gleichwohl würden Fans natürlich eine Rolle spielen: „Wir sind dankbar für die, die da sein können, und in Gedanken bei denen, die nicht kommen dürfen.“

Klar ist: Bei einem Spiel mit 1500 Zuschauern zahlt ein Club drauf. Man müsste eine Halle halb auslasten, um das Hochfahren des Betriebs mit Gastronomie und Sicherheitspersonal zu rechtfertigen.

Der EHC München kann es sich mit Red Bull im Rücken leisten, vor kleiner Kulisse zu spielen, bei ihm geht es darum, die Fanbasis vor dem Umzug in eine neue und größere Arena im Winter 2023 bei der Stange zu halten. Augsburg hat das Problem, dass über 3000 Dauerkartenkunden mit 1500 Tagestickets nicht zu bedienen sind, Straubing spielte in der Saisonvorbereitung aus Gründen der Kostenersparnis freiwillig ohne Zuschauer. Darüber muss auch jetzt nachgedacht werden.

„Das ist natürlich wieder ein Rückschlag“, erklärt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke zu den anstehenden Regelungen in Bayern, die bei weiter steigenden Corona-Infektionszahlen vielleicht auch auf den Rest der Republik übertragen werden könnten. Was eindeutig besser ist als letztes Jahr: Die Clubs haben Corona-Klauseln in die Spielerverträge eingebaut – die Gehälter orientieren sich an den Zuschauerzahlen –, und in der aufwendigen Beantragung von Corona-Staatshilfen haben die Vereine Erfahrung.

Die Profiligen (DEL, DEL2, Oberligen, Frauen-Bundesliga) werden ihren Spielbetrieb wohl durchziehen können, gefährdet sind die Amateur- (Bayernliga abwärts) und Nachwuchsligen. Sie mussten 2020 bei komfortablerer Lage die Saison abbrechen.

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