Was Kimmich beachten sollte

Aufregung ist bleibender

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Exakt einen Monat ist es nun her, dass man erfuhr – offiziell, von ihm selbst bestätigt –, dass Joshua Kimmich sich nicht gegen das Coronavirus hat impfen lassen. Noch nicht, sagte man damals. Man glaubte, er werde sich bald zur Impfung durchringen. Nicht am nächsten oder übernächsten Tag, weil es dann so aussähe, als beuge er sich dem öffentlichen Druck, sondern mit einem zeitlichen Abstand, der es ihm ermöglicht, sich als Herr des Verfahrens auszuweisen. Motto: Jetzt habe ich ein, zwei Wochen überlegt, mich kundig gemacht und bin zum Schluss gekommen, dass ich mich auf die Sache einlassen kann.

Doch den Zeitpunkt, zu dem er sein Gesicht hätte wahren können, hat Kimmich verpasst. Dass die Regeln, denen jeder Bürger unterworfen ist, ihn bereits zum zweiten Mal in die Quarantäne und die Absenz vom Spielfeld zwingen, gefällt auch vielen seiner Fans nicht; und man kann sich vorstellen, was es in einer Mannschaft auslöst, wenn der, die sie führen will, aufgrund seiner Egoismen den gemeinschaftlichen Erfolg gefährdet.

Kann Kimmich Kapitän werden? Beim FC Bayern? In der Nationalmannschaft? Derzeit schwer vorstellbar. Den Satz, er würde alles tun für sein Team, den wird man Kimmich nicht mehr glauben. Die andere Frage lautet: Was für ein Mensch ist er überhaupt? Er hat durch von ihm kontrollierte Zeitungsserien und TV-Dokumentationen das Image eines freundlichen und sozial denkenden Profis schaffen wollen. Doch jetzt: Bis auf ein dünnes Eingangs-Statement kein Widerspruch von ihm zu seiner Vereinnahmung durch Querdenker, Verschwörungserzähler, Rechtspopulisten. Man könnte daraus folgern, dass ihm der Beifall aus dieser Richtung gefällt.

Wie es mit Kimmich weitergeht, ist die spannendste Geschichte des Fußballs. Seinen Helden wird vieles nachgesehen, und nahezu jedem emotionalen Aufschäumen (Buchautor Schumacher, Kokser Daum, Steuersünder Hoeneß) folgte irgendwann die Wiederaufnahme in die Familie. Allerdings sind die Umstände jetzt andere: Von einer Pandemie sind wir alle betroffen, die Meinungsbildung zieht klare Frontlinien, Aufregung ist bleibender. Einen wie den Trainer Markus Anfang mit seinem faulen Impfpass-Zauber wird die Zeit ins ewige Vergessen spülen. Kimmich ist natürlich nicht kriminell. Doch eine Karriere kann leichter kaputtgehen als früher.

Guenter.Klein@ovb.net

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