München – Lena Dürr kommt, wenn andere schon ans Aufhören denken oder bereits ihre Karriere beendet haben. Mit 30 im Slalom noch einmal einen Sprung zu machen, den nach ganz oben, ist ziemlich ungewöhnlich. Es setzt etwas voraus, was man der Skirennläuferin vom SV Germering nie absprechen konnte: Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit. Sie nennt es „eine ewige Reise“, in der es aber lange nicht so richtig vorwärts ging. Dürr verharrte auf einem Fleck, irgendwo zwischen den Plätzen zehn und 20, manchmal mit Ausreißern nach vorne und nach hinten. „Ich habe nicht mehr geglaubt, dass sie noch einmal auf dem Podium landen würde“, gab der Alpinchef des Deutschen Skiverbandes, Wolfgang Maier, zu.
Erst recht nicht, dass dies Dürr gleich zweimal hintereinander gelingen würde. Die beiden dritten Plätze von Levi sind kein Zufall, sondern vorläufige der Höhepunkt einer Entwicklung, die bereits Ende des vergangenen Winters begann mit den Rängen vier und fünf in Are. Selbst Cheftrainer Jürgen Graller hatte den Erfolg damals vor allem auf die Pisteneigenschaften zurückgeführt, das nicht allzu steile Gelände habe für Dürr „zu 100 Prozent gepasst“. Dass sie aber auch steil kann, hat sie nun in Levi gezeigt. Es lag bei Dürr weder am fehlenden Talent noch am Trainingsfleiß, sondern es war einfach eine Frage des Kopfes, dass sie mit Ausnahme des Triumphes beim Parallelevent in Moskau 2013 nie erreichte, was sie als 18 Jahre alte Medaillengewinnern bei der Junioren-WM versprochen hatte.
Vor ein paar Jahren war sie sogar mal aus dem Elitekader geflogen, aber sie kämpfte sich zurück. Maier bezeichnete Dürr als „nicht regierbar“ und meint damit, dass kein Trainer jemals richtig Zugang zu der Athletin fand. „Wir hatten in den letzten Jahre ja viele Wechsel“, sagte Dürr. „Das kann eine Chance sein, kann aber auch schwierig sein, weil man wieder bei null startet.“
Für sie war es eine Chance, als vor der vergangenen Saison Georg Harzl die deutschen Slalom-Frauen übernahm. Es sei wichtig gewesen, „einen Trainer zu holten, der keine Geschichte im Team hat“, sagte Maier, der also von außen kam und unbelastet war. Zu Beginn, erzählt der Alpinchef, habe sich Harzl, der zuvor für den Nachwuchs des Österreichischen Skiverbandes zuständig gewesen war, „brutal schwer getan“ als Frauen-Trainer.
Dann änderte der 45-Jährige die Ansprache – und plötzlich bekam er Zugang zu den Athletinnen, vor allem zu Dürr, die findet: „Wir haben uns ganz gut zurechtgefunden.“ Harzl hat es offensichtlich geschafft, dass Dürr ihre Defizite nicht nur erkennt, sondern mit ihnen auch offen umgeht. „Wenn was nicht passt, neige ich dazu, schon passiv zu starten“, hat sie am Saisonanfang zugegeben. In Levi passte alles. Von oben bis unten.