München – Das Spitzenspiel der Bundesliga zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund ist auch ein Duell der Trainer, die eine Ära in ihren Clubs prägen sollen. Auf der einen Seite Julian Nagelsmann der mit gerade einmal 34 Jahren das Erbe von Hansi Flick als erfolgreichster Trainer der Bayern-Geschichte angetreten hat. Und beim BVB soll Marco Rose (45) endlich dafür sorgen, die emotionalen Sehnsüchte der Dortmunder Fans und Verantwortlichen nach „Jahrhundert-Trainer“ Jürgen Klopp vergessen zu machen.
Um diesen hohen Erwartungen gerecht zu werden, haben Nagelsmann und Rose in der taktischen Ausrichtung ihrer Mannschaften klare Vorstellungen und im Vergleich zur Vorsaison an einigen Stellschrauben gedreht. Aber welcher Fußballlehrer hat die bessere Titel-Taktik? Unsere Zeitung klärt auf und erhält dabei Unterstützung von Markus Brunnschneider, Leiter des Fachbereichs Spiel- und Taktikanalyse am Internationalen Fußball Institut (IFI).
„Julian Nagelsmann hat eine neue Zirkulationsstruktur aufgebaut. Unter ihm bauen die Bayern zunehmend asymmetrisch aus einem 4-2-3-1-System heraus auf“, sagt Brunnschneider. Was im ersten Moment kompliziert klingt, ist recht simpel erklärt: Alphonso Davies schiebt als Linksverteidiger weit nach vorne und zwingt so den linken Flügelspieler, zumeist Leroy Sané, in den Halbraum. Dadurch agiert Sané als eine Art zweiter Zehner neben Thomas Müller. Brunnschneider erklärt: „Der linke Sechser sichert dann den linken Halbraum. Der rechte Sechser schiebt zentral ein.“
Auf der rechten Seite interpretieren die Spieler ihre Positionen recht klassisch. Der Rechtsverteidiger rückt ein – entweder neben die beiden Sechser oder die Innenverteidiger, je nachdem, wie der Spielaufbau gestaltet werden soll. „In beiden Fällen ergeben sich verbesserte Passwinkel im Vergleich zu Vorsaison. Dadurch ist das Spiel nach vorn deutlich dynamischer und effektiver. Die Struktur ergibt außerdem den Vorteil, dass die Bayern sicherer nach Ballverlust stehen und somit Konter besser unterbinden können“, analysiert Brunnschneider. Im Vergleich zur Vorsaison haben sich die Bayern auch statistisch verbessert. So erspielen sie sich in 90 Minuten durchschnittlich 3,69 Torchancen, unter Flick waren es 2,50. Gleichzeitig lassen sie nur 0,69 Großchancen zu (1,35).
Während es Nagelsmann geschafft hat, dem Spiel seiner Mannschaft eine klare Struktur zu verleihen, experimentiert Rose noch phasenweise beim BVB. Er startete mit einem 5-3-2, 4-3-3 oder 4-2-3-1. Die Dortmunder sind laut Brunnschneider vorrangig bemüht, sich über klarere Pressingstrategien zu organisieren: „Alle benutzen Formationen zeigten, dass der BVB in der aktuellen Saison den Gegner auf den Flügel leiten, dort mannorientiert zu stellen und somit zu isolieren versucht.“
Diese Spielweise ist freilich sehr lauf- und zweikampfintensiv und bedarf hoher Intensität. MANUEL BONKE