„Heiße Kante“ im bayerischen Amateur-Eishockey

von Redaktion

Betreiben die unteren Klassen „Pandemie-Verschleppung“? – Bezirksligist führte die Impfpflicht ein

VON GÜNTER KLEIN

München – Neulich hat Petra Maier dem TSV Peißenberg, dem Verein, dem sie lange vorstand, „eine Tatortreinigung gesponsert“, wie sie sagt. Sie beauftragte auf eigene Kosten ein Münchner Spezialunternehmen, die Eishockey-Kabinen beim Bayernligisten zu desinfizieren. Wie ihr Mann Dieter, bekannt als langjähriger Betreuer beim EHC München und der Nationalmannschaft, hat sie sich zwar in den Ruhestand zurückgezogen und will ihren Sport nur noch in zuschauender Rolle verfolgen, doch was sie dabei wahrnimmt, wühlt sie auf. Sie hat darum bei Frank Butz angerufen, dem Eishockey-Obmann im Bayerischen Eissport-Verband (BEV) und gesagt: Was da gerade betrieben würde, sei „Pandemieverschleppung“.

Sie wies hin auf Mannschaften aus „Landkreisen mit einer 1000er-Inzidenz, die in andere Landkreise fahren“, auf Teams, die stark reduziert sind durch Infektionen („Wir haben in Peißenberg eine Herzmuskel- und eine Lungenentzündung“), auch auf die immer dramatischere wirtschaftliche Lage einiger Vereine, die ihre Spieler bezahlen müssen, aber kaum noch Zuschauer haben. Petra Maier findet, der Spielbetrieb sollte jetzt mal für ein paar Wochen ruhen, damit nicht auch noch das unterklassige Eishockey das Gesundheitssystem belastet. Weil sie weiß, dass die Vereine aber dazu neigen, den Spielplan durchzuziehen (ein Vorhaben, das sie unter den Umständen für „größenwahnsinnig“ hält), würde sie sich ein Machtwort seitens des BEV erwarten.

Frank Butz, der Eishockey-Obmann des Verbandes, kümmert sich um die Bayernliga, zwei Landes- und vier Bezirksligen, das ist der Seniorenbereich in Bayern. Die Tabellenbilder zeigen auf, wie das Virus einwirkt. In einer Landesliga gibt es Teams, die erst sechs Spiele haben, ein anderes dagegen schon zwölf. In einer der Bezirksligen konnte ein Club erst zweimal auflaufen. Alle Spielausfälle hatten mit Corona zu tun. „Wir haben Hotspot-Regionen, in denen nicht mehr gespielt werden durfte, wir hatten sogar den Fall, dass die Eismeister infiziert waren“ – und das Stadion für ein Wochenende geschlossen hatte, so Frank Butz.

Das bayerische Amateur-Eishockey kommt aus einer Saison 2020/21, die es im Grunde nicht gegeben hatte. Nach vierwöchigem Betrieb wurde sie wegen des damaligen „Lockdown light“ unterbrochen und nicht wieder aufgenommen. Auf- und Abstieg setzte man aus. Im Februar 2021 der Beschluss, die nächste Saison, 21/22, durchzuziehen „und so zu planen, dass man notfalls auch ohne Zuschauer spielt“ (Butz).

„Die Message der Vereine lautet: ,Lasst uns weiterspielen!’“ nimmt Butz als derzeitiges Stimmungsbild wahr. Es steht jedoch auch das Angebot, dass niemand gezwungen werde, seine Mannschaft aufs Eis zu schicken, wenn Bedenken bestünden. „Dann nehmen wir diese Spiele raus.“ Mit der Regelung, dass der Punktequotient zählt, wenn die Tabelle nicht gerade zu kriegen ist, hat der BEV Vorkehrungen getroffen. Allerdings böte das auch ein Einfallstor für Missbrauch. Ein Club könnte sich weiteren Spielen entziehen, wenn der Punkteschnitt passt. Die Macht, sich PCR-Testbescheide vorlegen zu lassen, hat der Verband nicht. Dem steht die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entgegen.

Butz glaubt, dass die Impfquoten im bayerischen Amateur-Eishockey ordentlich sind. Ein Verein kann sogar mit 100 Prozent aufwarten: der ESV Gebensbach, Bezirksligist aus dem Raum Erding. Dort ist Heinz Zerres (74) Trainer, ehemaliger Bundesliga-Torjäger (Landshut, Mannheim), auch Coach ist er in der höchsten Klasse gewesen. „Wir haben vor der Saison gesagt: Bei uns kann nur spielen, wer geimpft ist. Das gab Diskussionen am Ort und in der Mannschaft, es hat uns auch drei Spieler gekostet.“ Doch es sei richtig gewesen: Man hatte nur einen Impfdurchbruch, der mild verlief – mehr nicht. Training ist abends um 21.15 Uhr – und bevor ein Spieler überhaupt in die Kabine darf, muss er noch zum Testen. Dass vier der bisher angesetzten acht Partien abgesagt werden mussten, lag nicht am EV Gebensbach, sondern an der Corona-Lage bei den Gegnern.

Anders als im bayerischen Profieishockey (DEL, DEL2), wo gerade Geisterspiele angesagt sind, dürfen zu den Amateuren noch Zuschauer kommen. Eine 25-prozentige Auslastung erlaubt die derzeit gültige Verordnung. Doch die Leute sind zurückhaltend. „Wir hätten normal um die 100, jetzt sind es 15 – der Vorstand und seine engsten Verwandten“, sagt Heinz Zerres aus der Bezirksliga.

In der Bayernliga sind Zuschauereinnahmen ein Faktor. Offiziell ist die Bayernliga mit Vereinen wie Klostersee, Miesbach, Peißenberg, Waldkraiburg, Kempten, Erding, Geretsried, Königsbrunn, die alle schon höher (bis zur 2. Liga) gespielt haben, eine Amateursportliga. Das höre sich merkwürdig an, räumt Obmann Frank Butz ein, wenn man wisse, dass jeder Verein „einen Berufsspieler in Vollzeit“ beschäftigen darf und es die Möglichkeit gibt, Spieler als geringfügig Beschäftigte anzustellen. Monatszahlungen von 300, 400 Euro sind in der Bayernliga üblich. Die Spieler haben ein Interesse daran, dass es weitergeht.

„Wir fahren eine heiße Kante“, das ist Frank Butz klar. Es sind fordernde Zeiten, und die zweite Saison muss nicht die letzte sein, die von einer Pandemie betroffen ist. Die kritische Haltung der ehemaligen Peißenberg-Präsidentin Petra Maier und ihre Sorge um das Eishockey respektiert er, die Argumente, die für einen Stopp des Spielbetriebs sprechen, versteht er. „Ich muss allerdings“, sagt er, „das Große und Ganze sehen. Wir haben Clubs vom Alpenraum bis nach Unterfranken, mit unterschiedlichen Inzidenzen.“

Keiner weiß, wohin die Reise geht. Am 20. Dezember wird sich die Bayernliga vorsorglich treffen.

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