Bischofshofen – Als Ryoyu Kobayashi zum letzten Mal im Schnee von Bischofshofen aufsetzte – spätestens in diesem Moment war klar, dass auch der König der 70. Vierschanzentournee menschlich ist. 133,5 Meter weit war der kleine Japaner geflogen. Das reichte natürlich um nach drei Jahren auf den Thron des wichtigsten Springerturniers zurückzukehren. Aber den Traum, als erster Skispringer der Geschichte zum zweiten Mal den Grand-Slam zwischen Oberstdorf und Bischofshofen zu gewinnen, der platzte jäh.
Und man konnte es dem lange so Unerschütterlichen dann doch ansehen, dass das Gewicht des Turniers auch auf ihm schwer gelastet war. „Ich bin sehr glücklich“, sagte er artig in die Mikrophone, „aber jetzt bin ich auch sehr müde.“
Und zumindest einen Durchgang hatte es so ausgesehen, als ob ausgerechnet der Mann Kobayashi den Vierfachsieg vermasseln könnte, den man als Haupt-Gegenspieler in der Gesamtwertung vermutet hatte. Karl Geiger hatte zum Auftakt des Finals einen Flug zum Zunge schnalzen hingelegt. 140,5 Meter waren das Resultat seines definitiv besten Tourneesprungs.
Doch es passt zum Turnier des Oberstdorfers, das er die Pausenführung nicht ins Ziel brachte. Im zweiten Durchgang verpasste Geiger den Absprung. 132 Meter waren nicht schlecht aber halt nicht gut genug um Daniel Huber auf Distanz zu halten. Der Salzburger segelte mit 137 Metern zu seinem ersten Weltcupsieg und ließ auch die Kritiker um den allgegenwärtigen Ex-Coach Alex Pointner verstummen, die sich in den letzten Tagen über das schwache österreichische Abschneiden ereifert hatten. Geiger sah auch Platz drei hinter Halvor Egner Granerud noch als versöhnlich. „Die Ziele waren andere“, sagte er, „aber ich bin sehr froh, dass ich hier in Bischofshofen die Kurve noch einmal so gut gekriegt habe.“
Da spielte es auch keine Rolle, dass aus dem dritten Tournee-Podest in Folge nichts wurde. Platz vier stand am Ende zu Buche, knapp hinter den Norwegern Marius Lindvik und Halvor Egner Granerud. Knapp vor Markus Eisenbichler allerdings , dessen Aufholjagd in Bischofshofen nicht ganz so ausfiel wie erhofft. Platz sieben im Nachholspringen für Innsbruck, Platz acht im gestrigen Finale – Rang fünf in der Gesamtwertung blieb damit hängen. Das war auch nicht das, was Bundestrainer Stefan Horngacher restlos euphorisierte. „Die Tournee ist nicht 100 Prozent so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagte er, „aber ich bin zufrieden. Und es gibt ja noch einige Höhepunkte in diesem Jahr.“
Die gibt es in der Tat, mit den olympischen Spielen in Peking und der Skiflug-WM in Vikersund. Und die kann man vor allem mannschaftlich ziemlich zuversichtlich angehen.
Und auch individuell kann man zumindest ein bisschen Zuversicht aus der 70. Vierschanzentournee mitnehmen. Denn zumindest zeigte das Finale in Bischofshofen, dass man auch das Zeug hat, Ryoyu Kobayashi zu schlagen. Und das war dann doch ein Punkt, der auch den kleinen Überflieger nicht völlig kalt ließ. „Ich bin schon ein bisschen traurig, dass es mit dem Grand Slam nicht geklappt hat“, sagte er. Sprach‘s und herzte mit einem breiten Lächeln den goldenen Tournee-Adler, den er nun zum zweiten Mal nach 2019 sein eigen nennen darf, „aber ich bin wahnsinnig glücklich, dass ich den Adler wiederhabe.“ Noch so ein Moment, an dem der König der 70. Vierschanzentournee menschlich geworden ist.