Der Tournee-König nimmt Olympia ins Visier

von Redaktion

Nach dem Triumph in Bischofshofen will Ryoyu Kobayashi nun vor allem eins: Edelmetall bei den Spielen in Peking

VON PATRICK REICHELT

München – Wo der goldene Tourneeadler sein zukünftiges Nest finden wird, das hatte Ryoyu Kobayashi schnell entschieden. Direkt neben dem Fernseher ist noch Platz in seinem Haus daheim in Hachimantai. Dort hat das wertvolle Tier auch schon Gesellschaft mit dem Exemplar, das Kobayashi 2019 mit nach Hause brachte.

Irgendwann wird der Mann, den in seiner Heimat alle Roy nennen, die beiden Trophäen wohl betrachten und darüber nachdenken, ob eine der beiden ein wenig heller glänzt. Es war für ihn ja schon ein kleiner Wermutstropfen gewesen, dass er den zweiten Tourneetriumph am Donnerstagabend nicht mit einem weiteren Tagessieg veredeln konnte. Ein zweiter Grand Slam, er hätte ihm mit 25 Jahren schon Alleinstellung in der langen Springer-Historie gegeben.

Zumindest für seinen Trainer Richard Schallert hat der zweite Coup dennoch vielleicht sogar ein bisschen mehr Gewicht. „Die ersten Erfolge sind ihm mehr oder weniger passiert“, hatte der Österreicher dieser Tage einmal gesagt, „was jetzt passiert, das hat er sich erarbeitet.“

Man kann das natürlich so sehen. 2018/19 hatte sich die Weltklasse an Ryoyu Kobayashi die Zähne ausgebissen, weil er ein revolutionäres Flugsystem mitbrachte. Der Vorteil kam ihm in den beiden letzten Jahren ein bisschen abhanden. Aber Kobayashi hat seine Schlüsse gezogen. Wie er das gemacht hat, darüber zerbrach sich auch bei der Tournee die Konkurrenz die Köpfe. Von ihm selbst kommt naturgemäß wenig Erklärung. Auch in seinen Videos bei Youtube stellt er sich nur als der japanische Junge mit der Schwäche für Unmengen an extravaganten Schuhen vor. Als der Mann , der auch in Hobbies wie rasanten Autos oder Bungee-Jumping die Extreme liebt.

Aber seine Rückkehr auf den Thron hat wohl viel mit dem Trainingsquartier bei Richard Schallert im Sommer zu tun. Der 57-Jährige arbeitet offiziell zwar für das Immobilienunternehmen Tsuchiya Holding – in Japan liegt der Spitzensport in Firmenhänden – doch er tut das im heimischen Österreich. Dort hat der Vorarlberger mit Kobayashi wohl vor allem am Übergang von Anlauf und Absprung getüftelt

Genau dort lag auch in den Tourneetagen der große Vorteil des nun zweimaligen Tourneesiegers. Effektiv wie kein Zweiter nimmt Kobayashi beim Absprung den Schwung aus dem Anlauf mit. In einer Beständigkeit, die ihn auch selbst ein bisschen überrascht. „Ich freue mich, dass ich so stabile Sprünge zeigen konnte“, sagte er. Bei der Tournee hat ihn das immerhin schon acht Tagessiege eingebracht – zwei noch, dann zieht er mit Rekordhalter Jens Weißflog gleich.

Doch fürs Erste hat er ein ganz anderes Ziel im Blick. Die Olympischen Spiele in Peking haben für die Japaner generell einen enormen Stellenwert. Eine Medaille dort würde den Adler wohl sogar noch überstrahlen. Beim ersten Anlauf 2018 war Kobayashi davon noch weit entfernt – in Pyeongchang wurde er am Ende überschaubarer Zehnter auf der Großschanze.

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