Man stelle sich den Fall im Fußball vor – er wäre tagelang das dominierende Thema. Im Fußball wäre das also so: Corona-Saison, Terminpläne wieder durcheinandergeraten, die Bayern haben Halbfinale in der Champions League, verkürzt auf ein Spiel, sie müssen auswärts antreten. Doch ohne ihre deutschen Nationalspieler, weil die sich beim DFB auf eine EM/WM vorbereiten und Training haben. Was für ein Streit das wäre – alle involviert: FIFA, UEFA, DFL, DFB, FC Bayern. Im Fernsehen nach der Tagesschau ein Brennpunkt zum Abstellungskrieg.
Im Eishockey ereignet sich gerade ein Fall dieses Zuschnitts. Der EHC München hat – nach Absagen wegen Infektionswellen auf beiden Seiten – die Chance bekommen, am kommenden Dienstag bei Tappara Tampere um den Einzug ins Finale der Champions Hockey League zu spielen. Doch ab Montag müssen die fünf deutschen Nationalspieler des EHC in Mannheim zur Einstimmung auf die Olympischen Spiele sein. Am Dienstag werden sie also eine Trainingseinheit haben – und Zeit, die Tasche für den Flug nach Peking am Mittwoch zu packen.
Der Deutsche Eishockey-Bund als Herr der Nationalmannschaft ist formal im Recht, denn es besteht Abstellungspflicht für die Vereine. Jedes Training hat seinen Wert, und der Vermeidung weiterer Ansteckungen ist es wahrscheinlich dienlicher, wenn ein Teil des Nationalteams nicht noch eben nach Finnland tourt. Doch auch die Münchner Seite hat gute Argumente. Der EHC ist in der von den starken nordeuropäischen Nationen dominierten CHL der einzig verbliebene Repräsentant des deutschen Eishockeys – und dem stünde es gut an, Unterstützung zu leisten. Der EHC müsste es mit der Finanzkraft seines Eigners Red Bull hinbekommen, dass seine Nationalspieler rechtzeitig zum Nationalteam retourniert würden. Erstes Spiel in Peking ist übrigens erst am 10. Februar, man hat über eine Woche Zeit, sich bei Olympia einzuleben und zu finden. Wobei die Nationalspieler sich auch nicht fremd sind. Im Gegenteil: Das DEB-Team ist eine gewachsene Mannschaft.
Die Stärke des Eishockeys sind kurze Entscheidungswege und ein pragmatischer, unkomplizierter Umgang miteinander. Mit Solidarität ist man gut durch diese komplizierte Saison gekommen, hat Termine verlegt und in vielen Fällen darauf verzichtet, einen geschwächten Gegner zum Antreten zu zwingen. Schade, wenn das Eishockey diesen Trumpf aus der Hand gäbe.
Guenter.Klein@ovb.net