Bratislava – Belohnung? Handball-Pause? Füße hochlegen? Von wegen. Kaum auf dem heimischen Hof in Wendgräben bei Magdeburg angekommen, hockte sich Alfred Gislason vor den Computer. EM-Spiele auswerten, Erkenntnisse für die Zukunft gewinnen. „Man muss es sofort machen. In einem Monat hat man weniger Bock drauf“, kündigte der erfahrene Bundestrainer an.
Das Turnier ist fürs DHB-Team vorbei, doch Gislason sprüht vor Tatendrang. Der Umbau der Nationalmannschaft bereitet ihm große Freude – das war ihm trotz der zahlreiche Corona-Fälle während des Turniers anzumerken (mit Fabian Wiede und Torwarttrainer Mattias Andersson gab es nach der Rückkehr die Fälle 17 und 18). Wenn man ihn an der Seitenlinie beobachtete, ihn immer wieder mit den Spielern im intensiven Austausch sah, und wenn man ihn nach den EM-Spielen sprechen hörte. „Ich habe richtig Spaß an der Sache“, betonte Gislason in den Tagen von Bratislava nicht nur einmal. Spätestens bei der EM 2024 soll seine Arbeit Früchte tragen.
Es fällt auf: Das Rastlose aus seinen Kieler Jahren ist einer gewissen Leichtigkeit gewichen. Der 62-Jährige trat in Bratislava mehr denn je als Kommunikator auf, als Krisenmanager und Bessermacher. Er widmete sich voller Leidenschaft seinem unerfahrenen Team, vertraute den Youngstern auch in kniffligen Situationen – und ließ sie Fehler machen.
Patrick Wiencek, der Gislason aus vielen gemeinsamen Jahren beim THW Kiel kennt, sprach in Bratislava von einem „deutlich ruhigeren“ Bundestrainer. Er habe seinen „Umgang mit jungen Leuten verändert. Und zwar im positiven Sinne. Es ist sehr angenehm, mit ihm zu arbeiten.“ Fast scheint es so, als habe sich Gislason auf seine alten Trainertage noch einmal neu erfunden. Dabei gab es nicht wenige in der Szene, die dem langjährigen Kieler Meistertrainer den Nati-Neustart nicht zu 100 Prozent zugetraut hatten.
Und nun? Gislason wird den eingeschlagenen Weg weitergehen. Er werde in den kommenden Monaten weitere Spieler testen, „die mir in der Liga aufgefallen sind“, sagte der Routinier und nannte das Beispiel des Zweitligaspielers Julian Köster: „Keiner von euch kannte den vor drei Monaten. Man hat gesehen, wie gut die Jungs sein können, wenn sie eine Chance bekommen.“ sid