Gianni Infantino scheint ein großer Fan von Pippi Langstrumpf zu sein. „Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt“ – das ist nun schon seit Jahren das inoffizielle Motto des FIFA-Präsidenten. Und eigentlich, so dachte man zumindest bis vor Kurzem, gibt es doch keine Weltanschauungen Infantinos mehr, die einen noch großartig schocken könnten. Falsch gedacht.
Vor dem Europarat in Straßburg hat Infantino am Mittwoch über seine Pläne für die Weltmeisterschaft im Zweijahresrhythmus und den nächsten WM-Gastgeber Katar gesprochen. Der Grund für eine WM alle zwei Jahre ist schnell gefunden: Laut dem Marktforschungsunternehmen Nielsen würden die Einnahmen über vier Jahre um rund 3,9 Milliarden Euro steigen. Infantino sagte in seiner Rede nun jedoch, es ginge vielmehr darum, die ganze Welt einzubeziehen. Man müsse den Afrikanern Hoffnung machen, „damit sie nicht mehr über das Mittelmeer kommen müssen, um vielleicht ein besseres Leben zu finden oder, wahrscheinlicher, den Tod im Meer“. Die eigenen von Geldgier getränkten Pläne mit der Flüchtlingskrise und ertrunkenen Menschen im Mittelmeer in Relation setzen – das ist selbst für Infantino eine neue Dimension der Widerwärtigkeit.
Und klar, so ließ es die FIFA in einem Statement verlauten: Die Aussagen Infantinos scheinen „falsch interpretiert“ und „aus dem Zusammenhang gerissen“ zu sein. Äußerst unglaubwürdig. Erst recht mit dem Hintergrund, dass Infantino während seiner Rede auch noch den Austragungsort Katar verteidigte. „Es sei einfach nicht wahr“, die Berichte über 6500 tote Arbeiter auf den WM-Baustellen. „Es sind drei“, sagte Infantino. Ob der 51-Jährige da immer noch über verstorbene Arbeiter sprach oder doch viel mehr über die Anzahl seiner Gehirnzellen ist nicht überliefert.
Bei allem Sarkasmus: Es ist eine ernste Angelegenheit, wenn der FIFA-Präsident derart krude Ansichten verbreitete. Auf der einen Seite will Infantino allen Menschen „Chancen und Würde“ geben. Wie erklärt er das den Familien der 15 021 Nichtkatarern, so der Bericht von Amnesty International mit offiziellen Regierungsdaten, die zwischen 2010 bis 2019 in Katar verstorben sind?
Der Schweizer hat sich nicht erst seit seinem offiziellen Umzug in den Wüstenstaat von humanistischen Idealen entfernt. Infantino lässt eine WM in Stadien spielen, deren Errichtung tausenden Menschen das Leben gekostet hat. Theo Zwanziger bezeichnete das Wüstenemirat Katar einst als „Krebsgeschwür des Weltfußballs“. Infantino fördert und verheimlicht das Geschwür – damit es sich in Ruhe verbreiten kann.
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