Kleiner Verband, große Erfolge

von Redaktion

Snowboard Germany schickt 15 Athleten nach Peking – viele mit Medaillenchancen

VON ULI KELLNER

München – Andere sorgen für dickere Schlagzeilen, doch zuverlässig sind es auch Sportlerinnen und Sportler von Snowboard Germany, die in olympisches Rampenlicht hüpfen, zuletzt in Korea die flotten Racerinnen Selina Jörg (Silber) und Ramona Hofmeister (Bronze). Kleiner Verband, großer Output. An diese Tradition gewöhnt man sich gerne in Planegg, wo die Erfolgsgeschichte vor 20 Jahren in einem Nebenzimmer des DSV begann. Auch 2022 ist es wieder ein hoffnungsvolles Team, das den Sprung zu den Winterspielen schaffte. „Zwei bis drei Medaillen“ peilt Sportdirektor Andi Scheid an, vertrauend auf eine „Wucht an tollen Ergebnissen“ im Weltcup. Für unsere Zeitung stellt er die 15 Athletinnen und Athleten vor, die in Peking an den Start gehen – erstmals seit einer Ewigkeit auch wieder mit Medaillenchancen in den Freestyle-Disziplinen.

Snowboardcross

Martin Nörl: Zweimal Platz 1 beim Russland-Weltcup – gefolgt vom Sieg bei der Olympia-Generalprobe in Cortina. Mit seinem Fabeljanuar hat sich der Niederbayer in den Kreis der Topfavoriten katapultiert. Scheid über den zweifachen Familienvater, der seinen 8. Platz aus Korea toppen möchte: „Martin ruht in sich, ist stabil und konstant geworden. Er weiß genau, was er macht.“ Für den Erfolg sogar ungewöhnliche Dinge – um sich vor Peking nicht noch Corona einzuhandeln, schottet sich Nörl, 28, bis zum Abflug in einer Ferienwohnung im Allgäu ab.

Paul Berg: Im Rheinland geboren, in Südbaden aufgewachsen, im Allgäu zu Hause – und im Alter von 30 Jahren zum dritten Mal bei Olympia dabei (Platz 13 in Sotschi, 19. in Pyeongchang). Vergisst er seine schwere Fußverletzung aus dem Vorjahr, hat ihn Scheid für eine Medaille auf der Rechnung: „Er ist ein super Athlet, fährt mit sehr viel Gefühl. Wenn er fit an den Start geht, ist alles möglich.“

Umito Kirchwehm: Der Youngster im Team ließ mit einem 3. Platz im Montafon aufhorchen. Scheid bescheinigt dem 21-Jährigen einen „Riesenschritt“ auf dem Weg zum Siegfahrer: „Umito macht alles 1000-prozentig – von der Ernährung bis zu seinem Studium in München.“

Jana Fischer: Erst 22 Jahre alt – aber bereits zum zweiten Mal bei Olympia dabei (Platz 16 in Korea). Ihre Quali hing lange am seidenen Faden, unter anderem einer Schulterverletzung geschuldet. „Jana hat sich über eine intensive Reha zurückgekämpft“, berichtet Scheid: „Super, dass sie es geschafft hat – auch im Hinblick auf den Mixed-Wettbewerb. Die Jana ist eine sehr, sehr gute Gleiterin, was ihr auf der Strecke in China entgegenkommen dürfte.“

Parallelriesenslalom

Ramona Hofmeister: Bronze von Pyeongchang 2018 hängt daheim in Bad Reichenhall, zwei große Weltcup-Kugeln leisten der Olympia-Medaille Gesellschaft. Spätestens seit dem Karriereende von Selina Jörg ist Hofmeister, 25, die Goldhoffnung des Verbands, zudem eine Fahnenträger-Kandidatin. Ihrem Durchhänger vor Weihnachten misst Scheid keine Bedeutung bei: „Ich seh’ das ganz locker. Wenn’s darauf ankommt, ist die Ramona voll da. Mental ist sie einzigartig stark – eine echte Rampensau!“

Melanie Hochreiter: „Dass sie schnell ist, haben wir schon immer gewusst“, sagt Scheid über Ramona Hofmeisters Kindergartenfreundin aus Bischofswiesen: „Im Training ist sie schon lange gut dabei – und immer häufiger auch im Wettkampf.“ Pünktlich zum Olympiawinter errang sie mit Platz drei im PGS und Platz zwei im Teamwettbewerb ihre ersten Podestplätze.

Carolin Langenhorst: Noch so eine junge Racerin, die mit Hofmeister im Kindergarten war – und im Windschatten von Selina Jörg & Co. gereift ist. Doch kann sie den Platz zur Entfaltung nutzen, den die zurückgetretene Weltmeisterin freigemacht hat? Scheid sieht bei Langenhorst „eine gesunde, gute Entwicklung. Auf dem Niveau, das sie jetzt hat, kann sie Podestplatzierungen angreifen.“ Stefan Baumeister: Der 28-Jährige aus Feldkirchen-Westerham ist eine verlässliche Größe, war schon dreimal bei den Spielen dabei – und möchte nach Platz 6 in Korea endlich mal rein in die Medaillenränge. Scheid traut’s ihm zu: „Er wirkt heuer unglaublich solide und stabil.“

Elias Huber: Sein Vater Thomas ist einer der weltbesten Kletterer, bekannt als der ältere Part der „Huberbuam“. Geerbt hat Filius Elias, 22, die Liebe zur Natur und zum Sport – Ehrgeiz und hohe Ziele inbegriffen. „Seine Trainingsleistungen sind meistens top“, berichtet Scheid: „Im Wettkampf bringt er’s noch nicht so ganz runter, aber da sind wir dran.“

Yannik Angenend: „Noch so ein junger Wilder aus dem Elite-Internat in Berchtesgaden. Scheid traut dem 20-Jährigen jederzeit den Durchbruch zu: „Er ist gereift, sowohl snowboardtechnisch als auch von der Persönlichkeit. Wenn das Gelände passt, ist Yannik ein Knallertyp, denn er kann richtig schnell Snowboard fahren.“

Freestyle

André Höflich: „Rider des Jahres 2021“ – und der Allgäuer hat seine gute Form mit in die Olympiasaison genommen. Mit Platz drei in Mammoth Mountain bewarb sich der 24-Jährige für eine olympische Medaille. „Ein Ästhet in der Halfpipe“, schwärmt Scheid vom Sprungkünstler, der 2018 aus einer Verletzung kam und mit Blick auf seine Gesundheit auf die Korea-Spiele verzichtete: „Wir sind alle megastolz, dass wir einen deutschen Athleten auf dem hohen Level haben.“

Annika Morgan: Die frühere Eiskunstläuferin sprang zuletzt zweimal im Big Air aufs Weltcup-Podium – das hat keine deutsche Athletin vor ihr geschafft. „Unglaublich, wie steil es bei ihr nach oben geht“, staunt Scheid über die 19-Jährige aus Mittenwald: „Sie ist unbekümmert, mit ganz viel Spaß bei der Sache – und natürlich profitiert sie von ihrer Vergangenheit auf dem Eis. Rotationen, Gleichgewicht, Beweglichkeit – letztlich haben wir eine fertige Athletin bekommen.“

Leilani Ettel: „Boom! Alles raushauen“, kündigt die Studentin aus Pullach für ihre Olympia-Premiere an. Scheid über die sportlichen Vorzüge der 20-Jährigen: „Sie hat in der Halfpipe eine sehr, sehr gute Höhe – das hebt sie von vielen Konkurrentinnen ab.“

Leon Vockensperger: Der Flintsbacher stammt aus einer Sportlerfamilie, sein Vater zählte zu den Snowboard-Pionieren. „Diese Leidenschaft merkst du einfach beim Vocki “, sagt Scheid: „Aber auch die Power, mit denen er die Tricks einstudiert – das ist alles sehr beeindruckend.“ Der 22-Jährige geht wie Morgan im Slopestyle und im Big Air an den Start.

Noah Vicktor: Kaum einer fieberte Olympia mehr entgegen als der 20-Jährige aus Freilassing. „Er hat mich heute schon dreimal angerufen, wie die finale Nominierungsrunde ausgegangen ist“, berichtete Scheid Mitte Januar und folgerte: „Noah ist heiß!“ Umso größer die Freude beim Hobby-Eisbachsurfer, als es dann doch noch geklappt hat mit einem Startplatz. Scheids Einschätzung: „Letztlich ist er ein Kandidat für 2026, der in Peking schon mal Erfahrungen sammeln kann.“

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