Als Ohlstadt zum gefeierten Bobdorf wurde

von Redaktion

Vor 50 Jahren gewannen Pilot Wolfgang Zimmerer und seine Mitstreiter in Sapporo olympisches Gold und Bronze

München – Wenn der frühere Bobfahrer Stefan Gaisreiter, 74, von den glorreichen Tagen in Japan erzählt, dann kommt er immer noch schnell ins Schwärmen. Schließlich ist seine Heimatort Ohlstadt damals – vor 50 Jahren – zum deutschen Inbegriff für den Kufensport aufgestiegen. Bei der Liveübertragung habe der Rundfunk- und Fernsehreporter Günter Isenbügel den, so Gaisreiter, „legendären, ja mystischen“ Schlüsselsatz geprägt: „Jetzt starten sie, die Jungs aus dem Bobdorf Ohlstadt – Wolfi, mach’s gut!“

Mit Wolfi war Wolfgang Zimmerer gemeint, damals einer der weltbesten Piloten im Eiskanal. Und er steuerte bei den Olympischen Spielen in Sapporo anno 1972 sein von Wolfgang Utzschneider, heute 75, mitangeschobenes Zweier-Gefährt zu Gold. „Wir waren ein eingespieltes Team“, beschrieb er das harmonische Zusammenwirken mit seinem Begleiter. Das vor 50 Jahren errungene Gold war der Höhepunkt in Zimmerers großer Karriere. „Für uns war das das Allerhöchste und nicht mit Geld aufzuwiegen“, erzählt er.

Eine kleine Sensation war allein schon die Größe des Ohlstädter Aufgebots. Insgesamt neun Bobsportler aus dem 1800 Einwohner zählend Dorf am Fuße des Heimgartens hatten es zu den Winterspielen nach Japan geschafft, dazu noch ein Betreuer. „Das war schon gewaltig“, erinnert sich Zimmerer.

Und dann gab es ja auch noch ein zweites Edelmetall für die Crew vom Murnauer Moos. Allerdings war Bronze im Vierer (mit Gaisreiter und Walter Steinbauer) hart erkämpft. Um ein Haar wäre die Sache sogar ganz schiefgegangen. Ein Funktionär holte Zimmerer viel zu spät aus dem Starthaus, wo er sich mental auf das Rennen vorbereitete. „Wir standen mit dem Bob schon in der Startspur – aber ohne unseren Piloten“, erzählt Gaisreiter. Laut Vorschrift musste die Mannschaft 60 Sekunden nach Bahnfreigabe gestartet sein. Zimmerer eilte im allerletzten Moment herbei. „Um Bruchteile von Sekunden wären wir beinahe disqualifiziert worden“, so Gaisreiter.

Die Turbulenzen wirkten sich auf die Fahrt aus. Zimmerers Team lag nach dem ersten Tag nur auf Rang sechs. Eine Enttäuschung für die mit Gold-Hoffnungen angetretenen Oberbayern.

Am zweiten Tag ließ die Wetterprognose Schlimmes befürchten. Auf der Fahrt zur Eisbahn wollten Zimmerer und Gaisreiter im Gespräch sogar das denkbar schlechteste Szenario nicht ausschließen: Rennabbruch wegen Schneesturm. Doch dann widersetzte sich der sonst eher wortkarge Walter Steinbauer den trüben Gedanken mit sehr lautstarken Worten. „Haltet jetzt endlich euer verdammtes Maul! Wir fahren zur Bahn, es finden noch zwei Rennläufe statt, wir schieben an wie verrückt und gewinnen noch eine Medaille!“, zitiert Gaisreiter den 1991 verstorbenen Teamgefährten.

Tatsächlich rasten die Vier noch zu Bronze. „Ohlstadt stand Kopf“, sagt Gaisreiter. Im olympischen Dorf wurde die Fahrt aufs Podest „mit Geräuchertem, Hartwurst und bayerischem Bier“ gefeiert.

Spektakulär war der Empfang in der Heimat. Erst ging es zum Ministerpräsidenten Alfons Goppel in die Residenz, dann steuerte der Autokorso Ohlstadt an. Dort hatten sich 10 000 Olympia-Fans versammelt. Das waren gut fünfmal mehr, als das Dorf Einwohner hatte. Sogar Hausdächer und Balkone waren belagert. 50 Jahre danach sagt Gaisreiter: „Diese Erinnerungen bleiben dir dein Leben lang.“ ARMIN GIBIS

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