„Für uns ist jahrelang keiner eingestanden“

von Redaktion

Karla Borger, Präsidentin von Athleten Deutschland, über die Sorgen der Athleten in Peking

VON NICO-MARIUS SCHMITZ

München – Karla Borger ist weit von den Olympischen Spielen in Peking entfernt – und doch mittendrin. Die Volleyballerin Borger weilt zum Trainingslager auf Soma Bay, einer ägyptischen Bucht am Roten Meer. Doch als Präsidentin von Athleten Deutschland verfolgt die 33-Jährige die Geschehnisse in Peking genau. Wir haben uns mit Borger über die Olympia-Sorgen der Athleten unterhalten.

Boykott: Für Borger ist es ganz klar: „Die Diskussion wird auf dem Rücken der Athleten ausgeführt.“ Dabei haben es die Sportler, so Borger, eh schon schwer genug. Nicht alle leben professionell, müssen nebenbei noch arbeiten: „Es wird über fünf Jahre auf das große Ziel hingearbeitet und alles dafür geopfert. Da ist es extrem traurig, wenn sich Sportler für eine Teilnahme rechtfertigen müssen.“ Die Sportler bestreiten die Wettbewerbe, daher ist für die Athletensprecherin auch logisch, dass sie in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Alleingänge von Verbänden sollen in Zukunft verhindert werden: „Für uns ist halt jahrelang keiner eingestanden. Wir geben uns Mühe, dass sich etwas ändert und wir in Zukunft mehr Mitspracherecht haben.“

Politische Äußerung von Sportlern: Für Borger eine schwierige Frage, da sie aktuell selbst nicht vor Ort ist. Daher sei sie vorsichtig, Ratschläge zu geben. Natürlich hat sich Borger intensiv mit dem Thema beschäftigt. Aber: „Keiner kann genau abschätzen, was vor Ort passiert, wenn sich Sportler politisch äußern.“ Die Athleten seien in Gesprächen sensibilisiert wurden. „Der Konsens: in Peking nichts kritisieren, aber auch nichts loben.“

Manipulierte Corona-Tests und Überwachung: Die Corona-Welle hat mittlerweile auch das Team Deutschland erreicht (siehe dazu Seite 27). Doch wie sicher kann man sich als Athlet sein, dass das eigene Ergebnis auch stimmt? DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier hatte im Januar seine Sorgen um eine mögliche Manipulation der PCR-Tests geäußert. Das IOC, so Borger, habe versichert, dass sie die Tests durchführen und überwachen: „Sicher kann man sich aber nie sein. In Russland waren dann plötzlich auch Löcher in der Wand und Athleten wurden abgehört.“ Im Endeffekt müsse man darauf vertrauen, dass alles fair abläuft. Aber bleibt auch alles fair, wenn man im entscheidenden Wettkampf mit China um Gold konkurriert? „Es haben sich im Vorfeld schon Athleten skeptisch geäußert, ob alles noch mit rechten Dingen zugeht, wenn ein Chinese mit um die Medaillen kämpft.“

Menschenrechte und China: „Das ist teilweise schockierend, was in China abläuft. Wir reden immer noch über Sport – und müssen uns mit solchen Themen auseinandersetzen.“ Borgers Forderung: Das IOC muss in Zukunft mehr auf Themen wie Menschenrechte achten. Borgers Plan: Die Athleten sollen sich international besser vernetzen, damit die Stimme koordiniert erhoben werden kann:

Gespräche mit dem DOSB: Die ersten Gespräche mit Thomas Weikert haben auf Augenhöhe stattgefunden, sagt Borger. Das war nicht immer so: „Man wollte lange nicht, dass Sportler den Mund aufmachen. Das gilt immer als anstrengend, dann muss man sich ja mit den Sorgen der Athleten wirklich auseinandersetzen.“

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