Yanqing – Am Ziel seiner Träume sank Rodel-Olympiasieger Johannes Ludwig überglücklich auf die Knie und küsste das oberste Podest am längsten Eiskanal der Welt. In vier souveränen Läufen raste der 35 Jahre alte Thüringer zur ersten deutschen Goldmedaille der Winterspiele von Peking und krönte damit seine lange Karriere. Bundestrainer Norbert Loch nahm im Zielraum ergriffen seine Mütze ab und verneigte sich vor seinem Schützling: „Hansi kenne ich seit dem Jugendalter, mich verbindet mit dem Papa auch einiges. Wie er auf dem Zenit seine Leistung abgerufen hat, das hat mich zutiefst bewegt.“
Auch der Olympiasieger war überglücklich und kämpfte mit den Tränen. „Im Moment fühlt es sich ganz gut an. Sonst kommt der Druck im Rodeln immer von vorne, jetzt kommt er aus dem Nacken von der schweren Medaille“, sagte Ludwig. „Ich bin ziemlich glücklich, dass ich immer am Ball geblieben bin. Ich habe mich viele Jahre nicht für Olympia qualifizieren können, habe trotzdem die Freude nicht verloren. Jetzt sage ich: zurecht!“
Um 0,160 Sekunden distanzierte Ludwig am Ende Österreichs Ex-Weltmeister Wolfgang Kindl, Dritter wurde der Italiener Dominik Fischnaller. Dem dreimaligen Olympiasieger Felix Loch blieb am Sonntag hingegen nur der undankbare vierte Platz. „Natürlich ärgert man sich, aber es hat zur Saison gepasst. Am Ende muss ich froh sein, dass ich nach meiner Corona-Infektion überhaupt dabei war“, sagte Loch: „Vierter ist bitter, aber einer muss Vierter werden.“
Für Ludwig hatte Loch ganz viel Lob parat, war zudem erster Gratulant nach der Zieldurchfahrt. „Mich freut das riesig für den Hansi. Er hat riesig gekämpft, er hat sich das verdient. Hut ab! Er hat das klasse durchgezogen.“ Der dritte Deutsche im Bunde, Max Langenhan, belegte einen respektablen sechsten Rang und freute sich schon auf die Gold-Party: „Es gibt ein bisschen Corona, aber wenn wir in der Unterkunft sind, dann wird das vergessen. Hoffentlich gibt es ein paar Bier, sonst stoßen wir mit Cola an oder Wasser.“
Ludwig – in Pyeongchang 2018 schon mit Team-Gold und Einzel-Bronze dekoriert – reihte sich mit dem Triumph in die ganz Großen des Rodelsports ein. Der Name des ältesten Teilnehmers im Rennen steht nun in einer Statistik mit Georg Hackl, Armin Zöggeler und Felix Loch. Es war das elfte Einzel-Gold eines deutschen Rodlers in der olympischen Geschichte.
„Das ist ein super Gefühl. Wir haben mit einer Medaille gerechnet, aber nicht unbedingt mit Gold. Ich hoffe, dass das eine Initialzündung für das ganze Team war“, sagte der in die Berge nördlich von Peking gereiste DOSB-Präsident Thomas Weikert.
Mit 0,113 Sekunden Vorsprung war Ludwig in den vierten und letzten Durchgang auf der mit 1583 Metern längsten Bahn der Welt in das große Finale gegangen. Im dritten Durchgang hatte der Oberhofer seinen eigenen Bahnrekord mit einer konstanten und souveränen Fahrt noch einmal auf 57,043 Sekunden gedrückt.
Der Vollzugsbeamte schaffte sein Meisterstück – und das ausgerechnet auf dem Pyeongchang-Schlitten. „Das Grundsystem wird an die jeweiligen Bahnen angepasst“, erklärte Ludwig. „Mit den Erfolgen gewann er sukzessive an Selbstvertrauen. Es sind mehrere Bausteine, die bei ihm zusammenkommen und diese Ergebnisse ermöglichen“, sagte sein Heimtrainer Jan Eichhorn.
Wie und ob es im Eiskanal für Ludwig weitergeht, ist noch offen. „Es ist noch keine Entscheidung gefallen, da lasse ich mir bewusst noch ein bisschen Zeit“, sagte Ludwig am Sonntag. dpa