Zhangjiakou – Denise Herrmanns Freudentränen waren noch nicht getrocknet, als sie das gesamte deutsche Biathlon-Team zum Siegerfoto aufs Podest bat. Mit ihrem sensationellen Gold-Coup hat die Sächsin bei den Winterspielen in Zhangjiakou am Montag nicht nur ihre eigene Karriere gekrönt, sondern auch für Erlösung bei den viel kritisierten Skijägern gesorgt. Die 33-Jährige bescherte Deutschland in China das zweite Gold nach dem Triumph von Rodler Johannes Ludwig.
„Ich habe versucht, den perfekten Wettkampf zu machen. Am Ende auch ganz oben zu stehen, ist natürlich einfach unglaublich. Es war das perfekte Rennen“, sagte Herrmann, die etwas Einmaliges schaffte. Denn für sie war es nach Olympia-Bronze mit der Langlauf-Staffel 2014 nun die erste Medaille im Biathlon – das war zuvor noch keiner Deutschen gelungen. „Ich bin super stolz, dass ich zwei Medaillen in zwei Sportarten habe“, sagte Herrmann, die sich nur einen Fehlschuss leistete.
„Ich habe ordentlich auf die Fresse gekriegt dieses Jahr. Aber ich wusste, dass ich es kann“, sagte Herrmann und ergänzte später: „Das ist der größte Sieg für mich – der über mich selbst.“ Florian Steirer, Bundestrainer der Frauen, hob die Bedeutung des Sieges hervor: „Jetzt die Medaille mitzubringen, bringt Ruhe in das ganze Team, das ist wichtig für die ganze Mannschaft.“ Die Frauen waren nach schwachen Weltcups zuletzt hart kritisiert worden. „Man hat ein extremes Anspruchsdenken in Deutschland“, sagte Herrmann.
Nicht nur Herrmann bewies, dass die Form stimmt. Olympia-Debütantin Vanessa Voigt zeigte nach dem missglückten Einstand in der Mixed-Staffel eine bärenstarke Vorstellung und holte Rang vier. Nur 1,3 Sekunden fehlten zu Bronze. „Das ist wirklich schade“, sagte Steirer. Voigt meinte: „Dieser vierte Platz ist für mich wie eine Goldmedaille.“
Obwohl sie knapp hinter Anais Chevalier-Bouchet (Silber/Frankreich) und Marte Olsbu Röiseland (Norwegen) blieb, konnte sich Voigt auch für Herrmann freuen. „Wir haben uns einfach angeschaut und haben gesagt: Okay, diese Kritiker, wir haben es denen einfach gezeigt“, sagte Voigt, die erst seit dieser Saison fest im Weltcup startet: „Wir haben so viel einstecken müssen diese Saison. Dass es so aufgeht und dass wir hier jetzt eine Olympiasiegerin stehen haben, ist einfach großartig.“
Bei wesentlich besseren Bedingungen als bei der vom Wind stark beeinträchtigten Mixed-Staffel erwischte Herrmann einen guten Start und traf liegend und stehend jeweils die ersten fünf Schüsse. Herrmann setzte beim zweiten Liegendschießen den insgesamt 13. Versuch daneben und kassierte eine Strafminute. Doch bei den letzten fünf Schüssen blieb sie cool.
Herrmann hatte die gesamte Vorbereitung der vergangenen Jahre nur auf Olympia ausgerichtet. Höhentraining, Tüfteln an der Waffe, jede Menge Schufterei im Sommer – sie wollte nichts dem Zufall überlassen für ihren großen Traum. Die Saison verlief allerdings überaus holprig. Vor allem viele Fehler am Schießstand sorgten für schwache Resultate. Tiefpunkte waren ein 41. Platz in der Verfolgung von Oberhof mit acht Schießfehlern und eine vermasselte Olympia-Generalprobe mit Rang 23 zuletzt in Antholz.
Doch Herrmann glaubte trotz aller Rückschläge immer an sich. „Ich wusste, ich habe meine Hausaufgaben gemacht und mich maximal gut vorbereitet. Ich konnte früh immer in den Spiegel gucken und sagen: Ich habe alles getan“, sagte sie. Viele zweifelten schon, ob sie im höheren Alter noch einmal alles so zusammenbringen würde wie 2019. Damals war sie in Schweden Weltmeisterin in der Verfolgung geworden und hatte bewiesen, dass sich der Wechsel vom Langlauf 2016 gelohnt hat: „Ich bin sehr froh, dass ich das gemacht habe. Das Risiko war es wert.“ dpa