Peking – Christopher Grotheer verzog keine Miene. Nach seinen beiden blitzsauberen Fahrten im Eiskanal von Yanqing perlten die Fragen nach Olympia-Gold am Skeleton-Weltmeister einfach ab. „Ich schaue nicht nach links oder rechts“, versicherte der Oberhofer mit ruhiger Stimme. „Wichtig ist jetzt, dass ich nicht zu träumen beginne.“
Nach zwei von vier Durchgängen führt der 29-Jährige bei den Winterspielen in China vor seinem Teamkollegen Axel Jungk – und hat damit Historisches im Visier. Einen Olympiasieger stellten die waghalsigen „Kopf-voran“-Rodler aus Deutschland schließlich noch nie, bereits eine Männer-Medaille wäre eine Premiere.
Die Chancen stehen bestens, dass an diesem Freitag (vierter Durchgang ab 14.55 Uhr) der Fluch endlich gebannt wird: Bereits 0,70 Sekunden beträgt Grotheers Vorsprung zur Halbzeit vor Teamkollege Jungk. Alexander Gassner (+1,40) besitzt als Neunter noch minimale Podestchancen.
Geht es nach Rekord-Weltmeister Martins Dukurs, ist die Entscheidung um Gold bereits gefallen. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand ihn einholen kann“, sagte der Lette, der mit 0,91 Sekunden Rückstand wohl keine Chance auf sein ersehntes erstes Olympia-Gold hat: „Ich habe seine beiden Läufe gesehen und gesagt: Er ist die Nummer 1.“
Schon im ersten Durchgang hatte der coole Grotheer mit einem Bahnrekord (1:00,00 Minuten) für Aufsehen gesorgt. „Ich habe extra die Startnummer 4 genommen, um die Konkurrenz zu schocken. Das ist mir optimal gelungen“, sagte er zufrieden. Und so musste auch Jungk, der nach seiner verspäteten Ankunft in Peking zunächst positiv auf Corona getestet worden war, Grotheers Leistung und seinen „brutalen“ Rückstand neidlos anerkennen. „Das ist schon außergewöhnlich“, sagte der 30-Jährige.
Grotheer bewies im 1615 m langen Eiskanal jene Konstanz, die Bundestrainer Christian Baude im Vorfeld als „Schlüssel zum Sieg“ ausgemacht hatte. Ohne Wackler glitt der zweimalige WM-Champion durch die Bahn, mit dem Kopf nur fünf Zentimeter über dem Eis strahlte er dabei eine ähnliche Ruhe aus wie wenig später vor den Mikrofonen.
Nervös? Das sei er nicht. „Die Situation ist ja nicht ganz neu für mich“, sagte Grotheer mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2020 in Altenberg. Auch dort hatte er zur Halbzeit geführt – und seinen Vorsprung einen Tag später ins Ziel gebracht. sid