Peking – Die Konkurrenten von Martin Nörl waren längst im Ziel, da trudelte der deutsche Topfavorit noch immer mit hängenden Schultern den Berg hinunter. Als der beste Snowboardcrosser dieses Winters dann mit über zehn Sekunden Verspätung abschwang, war das Olympia-Debakel für die deutsche Mannschaft endgültig perfekt.
„Er wurde abgeräumt, das enttäuscht uns, das fuchst uns“, sagte Sportdirektor Andreas Scheid nach einem Rennen, in dem schief lief, was nicht schief laufen durfte. Schon im Viertelfinale lösten sich sämtliche Medaillenhoffnungen von Nörl in Luft auf: Auf Rang drei liegend raste er in den gestürzten Amerikaner Mick Dierdorff hinein.
Erst Stefan Baumeister und Ramona Hofmeister im Parallel-Riesenslalom, jetzt Nörl: Drei Hoffnungsträger, deren Gold-Träume im Genting Snow Park von Zhangjiakou allesamt zerplatzten. Scheid fand dafür klare Worte. „Wir bringen es nicht auf den Punkt. Man braucht dieses Selbstverständnis, hier an den Start zu gehen und zu gewinnen. Das war bei uns nicht da“, sagte er: „Wenn es bei Olympischen Spielen richtig zur Sache geht, können manche eben noch zehn Prozent draufpacken.“
Nörl suchte allerdings gar nicht erst nach Ausreden. „Wenn ich vorne gefahren wäre, hätte keiner auf der Strecke gelegen“, sagte er lapidar zu seinem Sturz. Nach drei Weltcupsiegen in Folge war er in der Form seines Lebens als Goldkandidat angereist, zumindest eine Medaille war fest eingeplant. Geblieben ist ihm nur Enttäuschung: „Natürlich schmerzt das“, sagte er.
Machtlos musste Nörl vom Fuße des Berges zusehen, wie sein Viertelfinal-Konkurrent, Vizeweltmeister Alessandro Hämmerle aus Österreich, im dramatischen Fotofinish zum Olympiasieg fuhr. Ähnlich frustriert hatten zwei Tage zuvor bereits seine Teamkollegen die Entscheidung im Parallel-Riesenslalom verfolgt.
Für Nörl gibt es am Sonntag im Mixed-Teamwettbewerb mit Jana Fischer noch eine kleine Chance auf Wiedergutmachung, aber „da die Medaille als Ziel auszugeben, wäre überzogen“, sagte Scheid. Für die gebeutelten Boarder wäre sie ohnehin nur ein schwacher Trost. sid