„Das sind zwei Feiertage für Salzburg“

von Redaktion

RB-Trainer Jaissle über das Duell mit dem FC Bayern, den Ex-Hachinger Adeyemi und Nagelsmann-Vergleiche

Salzburg – Jung, modisch, erfolgreich: Zwischen Salzburg-Trainer Matthias Jaissle, 33, und Bayern-Coach Julian Nagelsmann, 34, gibt es einige Parallelen. Vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League zwischen dem österreichischen und dem deutschen Meister spricht der RB-Fußballlehrer im Interview mit unserer Zeitung.

Herr Jaissle, hat Salzburg überhaupt eine Chance gegen Bayern?

Wir wissen natürlich, dass wir gegen die aktuell vielleicht weltbeste Mannschaft spielen und krasser Außenseiter sind. Aber wir gehen da ganz ohne Druck rein. Wir haben die jüngste Mannschaft in der Champions League und erstmals in der Historie des Clubs das Achtelfinale in der Königsklasse erreicht. Das sind zwei Feiertage, für die Mannschaft, den Club und die Fans. Die wollen wir auch ein Stück weit genießen und uns so gut wie möglich präsentieren.

Wie wollen Sie die Münchner besiegen?

Unser Ziel ist es wie schon in der Gruppenphase, mutig und frech aufzutreten. Wir werden auch gegen die Bayern versuchen, unsere Art des Fußballs auf den Platz zu bringen. Wir wissen, dass das gegen diese Mannschaft nicht einfach wird – aber wir wollen es zumindest versuchen.

Vor allem einer Ihrer Spieler ist europaweit heiß begehrt: Karim Adeymi. Was zeichnet den früheren Hachinger aus? Und wo kann er sich noch verbessern?

Karim ist enorm schnell und hat auch bei höchstem Tempo eine gute Ballkontrolle. Er hat ein gutes Gespür für die Räume und einen guten Abschluss. Wenn er weiter an sich arbeitet, werden ihm sehr viele Türen offen stehen.

Auf der Bayern-Bank sitzt ein Trainer, der nur ein Jahr älter ist als Sie. Wie finden Sie Julian Nagelsmann?

Überragend. Er hat Hoffenheim erst gerettet und später in die Champions League geführt, hat in Leipzig einen super Job gemacht – und die Ergebnisse in München sprechen ja auch für sich. Das ist absolute Weltklasse.

Welche Vor- bzw. Nachteile hat es, als Trainer teilweise jünger als seine Spieler zu sein?

Mit diesem Thema wurde ich vor allem in meiner Anfangszeit bei Red Bull Salzburg häufiger konfrontiert (schmunzelt). Aber am Ende geht es heutzutage doch nicht mehr um die Frage, ob jung oder alt. Entscheidend ist, dass Du die Spieler erreichst und überzeugst. Ein Vorteil kann sein, dass ich noch etwas näher dran bin an dem, was die Jungs so umtreibt – auch außerhalb des Platzes. Aber das spielt nicht die entscheidende Rolle.

Bei offiziellen Terminen erscheinen Sie immer top-gestylt. Auch Nagelsmann legt auf Mode sehr viel Wert. Wie finden Sie seinen Stil?

(lacht) Mein Eindruck ist, dass wir da vielleicht eher in unterschiedliche Richtungen tendieren. Aber ich finde, der Stil passt zu ihm – auch wenn ich Fußballtrainer und kein Modeexperte bin.

Hand aufs Herz: Nerven Sie die Nagelsmann-Vergleiche?

Nein, überhaupt nicht. Wir sind in einem ähnlichen Alter, waren beide in Hoffenheim und in Leipzig – wenn auch in unterschiedlichen Funktionen. Als Sportjournalist würde ich das wahrscheinlich auch thematisieren (schmunzelt). Aber Julian ist Julian und ich bin ich.

Im Alter von nur 26 Jahren mussten Sie als Hoffenheim-Verteidiger verletzungsbedingt Ihre Karriere beenden. Mittlerweile sind Sie einer der angesagtesten Trainer. Waren Ihre Verletzungen rückblickend das Beste, was Ihnen passieren konnte?

Klares Nein. Glauben Sie mir: Darauf hätte ich wirklich gerne verzichtet. Das war eine harte Zeit, in der ich auch sehr gelitten habe. Und ich hätte gerne herausgefunden, wie weit ich es als Spieler hätte bringen können, wenn ich gesund geblieben wäre. Aber natürlich bin ich froh, dass ich dann eine Aufgabe gefunden habe, die mir ebenfalls riesigen Spaß macht.

Ralf Rangnick, Ihr ehemaliger Hoffenheim-Coach, war Sportchef in Leipzig, als Sie bei den Sachsen Ihre ersten Erfahrungen als Trainer sammelten. Wie wichtig ist Rangnick für Sie? Wie hat er Ihnen geholfen?

Ralf hatte natürlich Einfluss auf meine Karriere, dafür bin ich ihm auch sehr dankbar. Als Spieler bin ich von ihm mit der Art von Fußball infiziert worden, der noch heute die Grundlage der Red-Bull-Philosophie ist. Und nach meinem verletzungsbedingten Karriere-Aus hat er es mir ermöglicht, in Leipzig meine ersten Schritte als Trainer zu gehen. Geplant war nach meinem Sportbusiness-Management-Studium eigentlich, dass ich in verschiedene Abteilungen reinschnuppere, um zu schauen, was mir am besten liegt. Die erste Station war Co-Trainer in der U 16. Das hat mir so gut gefallen, dass ich dort gleich hängen geblieben bin.

Ihr Trainee-Programm bei RB begannen Sie als Assistent von Sebastian Hoeneß, der zu der Zeit die U 16 trainierte. Was haben Sie vom aktuellen Hoffenheim-Trainer gelernt?

Sebastian ist ein unglaublich akribischer Arbeiter, der einen ganz klaren Plan von Fußball hat. Es ist ja kein Zufall, dass er mit der zweiten Mannschaft des FC Bayern Drittligameister wurde – und auch jetzt in Hoffenheim einen super Job macht. Außerdem ist er ein super Typ. Ich schätze ihn sehr. Als Trainer und als Mensch.

Wie würden Sie Ihren Trainer-Stil beschreiben?

Ich finde es immer extrem schwierig, über sich selbst zu sprechen. Das können andere, die mit mir arbeiten, viel besser beurteilen. Aber ich denke, dass ich ein kommunikativer Trainer bin, dessen Tür immer offen ist. Trotzdem kann ich auch sehr konsequent sein, wenn es darauf ankommt.

Sie holen sich auch abseits des Fußballs Inspirationen. Mit welchen Persönlichkeiten tauschen Sie sich besonders gern aus?

Ganz unterschiedlich. Das können Personen aus dem Fußball sein, Führungskräfte aus der Wirtschaft, aber auch Freunde und Verwandte.

Sie sind ein Perfektionist, wollen sich auch selbst ständig verbessern. Was steht neben kalten Duschen und Büchern über Gehirnforschung noch auf Ihrem Programm?

Auch was das angeht, bin ich nicht festgelegt. Ich versuche, immer über den Tellerrand hinauszuschauen, um mich weiterzuentwickeln. Nicht nur als Trainer, sondern auch als Mensch.

Zuletzt haben Sie ein Buch über die Trainer-Legende von Manchester United, Sir Alex Ferguson, gelesen. Aktuell trainiert Rangnick übergangsweise die Red Devils. Ab Sommer soll er dann als Berater für den Club tätig sein. Würden Sie gerne sein Trainer-Nachfolger bei United werden?

Auf den Zusammenhang ist bisher noch niemand gekommen. Aber ich bekomme ja oft die Frage gestellt, wo ich mich in Zukunft sehe und wie mein Karriereplan aussehe. Meine Antwort: Ich habe keinen Karriereplan. Ich habe als Spieler am eigenen Leib erfahren müssen, dass Pläne im Fußball recht schnell über den Haufen geworfen werden können. Ich lebe im Hier und Jetzt und versuche, mein Bestes zu geben. Und: Ich fühle mich hier in Salzburg wirklich unheimlich wohl. Wunderschöne Stadt, toller Club.

In Österreich ist nach der U 18 Schluss mit Jugendfußball, es geht danach direkt in den Herrenbereich. In Deutschland gibt es eine U 19. Wäre es sinnvoll, diese Zwischenstufe abzuschaffen, um Talente schneller an den Herrenfußball zu gewöhnen?

Puh, eine schwierige Frage. Ich weiß nicht, ob man das so pauschal sagen kann. Die Vergangenheit zeigt, dass viele Wege nach Rom führen können. Das Nachwuchssystem in Österreich ist ja generell ein etwas anderes, weil die Topclubs mit ihren zweiten Mannschaften sogar in der zweiten Liga spielen dürfen oder wir selbst mit dem FC Liefering einen Kooperationspartner auf diesem Level haben. Das ist ein guter Zwischenschritt, um sich an den Männerfußball gewöhnen zu können. Aber wie gesagt: Den Königsweg gibt es aus meiner Sicht nicht.

Interview: Manuel Bonke und Philipp Kessler

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