Extrem bitter

von Redaktion

Kira Weidle erlebt schmerzhafte Enttäuschung: Platz 4 mit 0,14 Sekunden Rückstand auf Bronze

Peking – Kira Weidle saß mit verheulten Augen und roter Nase in einem kalten Container am „Blech“-Berg, als keine hundert Meter entfernt die Medaillen vergeben wurden. Wäre sie in dieser verflixten Olympia-Abfahrt nur 0,14 Sekunden schneller gewesen, hätte die Fahrerin des SC Starnberg Bronze umgehängt bekommen – stattdessen baumelte an ihrem Hals ein kleines hellblaues Plastikschildchen: die Zugangskarte zum Doping-Kontrollraum.

„Das ist ein extrem bitteres Ende“, sagte Weidle mit brüchiger Stimme über ihren jäh geplatzten Medaillentraum in der Königsdisziplin. Schon unmittelbar nach ihrer Fahrt hatte sie einige Flüche ausgestoßen. „Vielleicht“, sinnierte sie über Rang vier, den undankbarsten aller Plätze, „muss der Berg heute noch einen Schrei aushalten.“

In einem spannenden, auch vom Wind geprägten Rennen krönte sich ein wenig überraschend die Weltmeisterin zur Olympiasiegerin: Corinne Suter aus der Schweiz siegte vor „Speed Queen“ Sofia Goggia (Italien). Die Olympiasiegerin von 2018 war trotz schwerer Knieverletzung angetreten – und im ersten Augenblick stocksauer über Silber.

Bei der Siegerehrung küsste sie ihr lädiertes Knie und lachte schon wieder, Weidle nicht. Nach Slalom-Blech für ihre Mitbewohnerin Lena Dürr sei „ein Stück von mir für Lena gefahren“, sagte die 25-Jährige. Dass es sie dann genauso traf, „ist extrem hart, so bitter, unglaublich“.

Zumal die WM-Zweite nach starken Trainings auf mehr hoffen durfte. „Ich glaube, es haben viele Leute, auch andere Athletinnen, auf mich gesetzt, auf eine Medaille“, sagte die Wahl-Münchnerin. Es sei zwar einerseits „ein schönes Gefühl, dass jeder weiß, dass ich es gekonnt hätte“. Andererseits eben nur im Konjunktiv: hätte. Statt Weidle jubelte unerwartet Nadia Delago (Italien) über Rang drei.

Wo ging Bronze für die Deutsche verloren? Die Schlüsselstelle, eine Linkskurve im oberen Abschnitt, habe sie „nicht gut erwischt“, analysierte Weidle: „Man strebt nach Perfektion, aber es hat leider nicht ganz funktioniert.“ Dennoch blieb sie über die technischen Abschnitte der Strecke hinweg auf Podestkurs. Erst nach der letzten Zwischenzeit vergrößerte sich der Rückstand auf Suter schlagartig.

Diese hatte sich mit Videos der einstigen Abfahrtskönigin Lindsey Vonn eingestimmt und profitierte letztlich wohl von etwas Windglück. Die berüchtigten Böen am Xiaohaituo verzögerten den Start um eine halbe Stunde, Stehauf-Frau Goggia verlor Gold im unteren Flachstück und schimpfte verärgert: „Den Wind kannst du nicht kontrollieren.“

Andererseits sei sie „sehr dankbar“, dass sie überhaupt dabei sein konnte – wenn auch nur mit „55 Prozent“ ihres Leistungsvermögens. Vor drei Wochen sagten ihr die Ärzte, dass sie ihren Traum werde beerdigen müssen. Silber hätte sie da „sofort unterschrieben“. Das traf sicher auch auf Kira Weidle im Container zu.  sid/dpa

Mitbewohnerin Lena Dürr muss dasselbe Schicksal verarbeiten

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