München/Peking – Aus deutscher Sicht sah es lange nach einem Tag aus, der „nur“ vierte Plätze hervorbringt. Ski-Ass Kira Weidle fehlten in der Abfahrt 14 Hundertstelsekunden zum Edelmetall. Der Kombinierer Manuel Faißt schnupperte sogar an Gold, musste sich im Schlussspurt aber geschlagen geben und landete am Ende auf Rang vier. Auch für die deutschen Biathlon-Männer sah es in der Staffel lange gut aus. Im letzten Schießen versagten Philipp Nawrath aber die Nerven, die Chance auf eine Medaille war dahin.
Zum Glück gibt es da noch den Eiskanal als deutsche Medaillengrube: Als sich die Beletage des deutschen Bobsports nach dem historischen Dreifach-Triumph auf dem obersten Podest für das Foto versammelte, strahlte die Goldmedaille von Dominator Francesco Friedrich ganz besonders. Der Ausnahmekönner krönte sich im Eiskanal von Yanqing wie schon vor vier Jahren zum Olympiasieger im Zweierbob und kann schon am Wochenende mit einem Triumph im Vierer erneut Geschichte schreiben. Neben Friedrich und Anschieber Thorsten Margis jubelten bei bitterkalten minus zwölf Grad auch das Silber-Duo Johannes Lochner/Florian Bauer sowie die Bronze-Gewinner Christoph Hafer/Matthias Sommer. Seit Beginn der olympischen Bobwettkämpfe 1924 hatte eine Nation nie die ersten drei Plätze belegt.
„Wir sind extrem glücklich. Wir wollten noch al kontern, nachdem wir gestern etwas verloren hatten. Es ist genauso gelaufen, wie wir wollten“, sagte Friedrich. Stolz öffnete der Sachse im Ziel seinen Rennanzug, zeigte der Welt seinen ganz persönlichen Glücksbringer: ein Kleeblatt mit Herz sowie den Anfangsbuchstaben der Söhne Karl und Hannes und Frau Magdalena.
Für den zweiten Zweier-Sieg bei aufeinanderfolgenden Spielen, das war aus deutscher Sicht zuvor nur André Lange gelungen, war Friedrich jedes Mittel recht. So wechselte der Sachse kurz vor dem ersten Lauf am Montag auf den Bob von Europameisterin Kim Kalicki – und raste im Frauen-Schlitten zu Gold. Von seinem alten Rivalen Lochner trennten ihn 0,49 Sekunden, Hafer sah Friedrich als Dritter mit 1,69 Sekunden Rückstand praktisch nur mit dem Fernglas. „Es war gigantisch, was alle geleistet“, sagte Cheftrainer René Spies. Nachdem Lochner den Rückstand zur Halbzeit auf 0,15 Sekunden verkürzt hatte, konterte Friedrich mit Bahnrekord von 58,99 Sekunden. Lochner patzte, der Olympiasieg war praktisch schon vor dem Finale vergeben. „Franz hat Gold verdient. Sein Start war einfach zu stark. Wir freuen uns, dass wir endlich mit einer Olympia-Medaille nach Hause fahren“, sagte der Bayer.
Friedrichs Schlitten-Tausch war durchaus ein wichtiger Faktor des Erfolgs. „Wir haben gemerkt, dass Hansi uns im Training um die Ohren gefahren ist. Da mussten wir reagieren“, sagte der erleichterte Friedrich: „Es war eine verrückte Woche.“
Der Schlitten wurde zwar wie auch Friedrichs erste Wahl vom Berliner Institut zur Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) gebaut, hatte aber ein für die aktuellen Bedingungen auf der Olympia-Bahn schnelleres Setup.
Die Aktion passt zu Friedrich, der wie einst sein Vorbild Michael Schumacher seine Sportart fast nach Belieben dominiert. Vom siebenmaligen Formel-1-Weltmeister hat sich Friedrich für die eigene Arbeit einiges abgeschaut. „Ich habe bei Schumi dieselbe Mentalität wie bei mir selbst gesehen. Er wollte immer gewinnen, hat aus jedem Teammitglied das Optimale herausgeholt“, sagte Friedrich. „Da bin ich wie Schumi. Wenn man diese Mentalität nicht hat, ist man kein Siegfahrer, dann ist man immer nur gut dabei.“
Für die nötigen PS im Eiskanal sorgte wie immer Anschieber Margis. Der frühere Zehnkämpfer aus Halle/Saale hat enormen Anteil am Erfolg, wie der Startrekord von 4,93 Sekunden im dritten Lauf einmal mehr bewies. „Nicht nur Franz ist erfahren, auch die Mannschaft. Mit Thorsten Margis ist es die erfahrenste Kombination im ganzen Weltcup-Zirkus“, sagte Cheftrainer Spies. Dass Lochner zur Halbzeit nur einen Rückstand von 0,15 Sekunden auf das Duo Friedrich/Margis hatte, sorgte für Motivation – denn Niederlagen beginnen für sie bereits ab Platz zwei. dpa