Amtliches deutsches Medaillenzählen versus Eurosports internationale Lässigkeit

von Redaktion

TV-KRITIK

Wieder keine Medaille für unsere Skifahrer. Aber beim Slalom hat man feststellen können: Mit den richtigen Leuten im Fernsehapparat macht sogar Blech Spaß. Eurosport und das Erste haben beim siebten Platz von Linus Straßer um die Wette übertragen. Zu hören gab es den Sound der Berge – und zu sehen „ein Feuerwerk am Slalom-Berg“, so Eurosport-Hallodri Frank Wörndl. Er ist der lässigste Hund im Schnee-TV. Wir verraten Ihnen alles zum Jürgen Drews aus dem Allgäu.

– Das alternative Olympia: Bei Eurosport ist alles anders. Wenn bei ARD und ZDF Skifahren kommt, erzählt erst mal Jessy oder Katrin, dass jetzt bald Skifahren kommt. Dann wird über die Geschichte der alpinen Fortbewegung von den fellbespannten Ötzi-Holzlatten bis zu Heidi Biebl referiert, und wenige Stunden später geht’s dann auch schon los. Weil Eurosport-Zuschauer offenbar Mehrdenker sind, die viel von selber verstehen, muss dort niemand moderieren. Dort wird „Live“ einblendet, und dann ist „Live“.

– Gold statt Schwarz-Rot-Gold: ARD und ZDF übertragen amtliches deutsches Medaillenzählen, alles andere ist weniger spannend. Eurosport zeigt Wintersport mit Menschen aus vielen Ländern. Und Kommentator Guido Heuber fällt ganz nebenbei ein: „Linus Straßer dürfen wir auch nicht unterschlagen.“ Im Endeffekt ist es so: Im Ersten und Zweiten geht’s um Schwarz-Rot-Gold, bei Eurosport geht’s nur um Gold.

– Der Wörndl: Mit seinen 62 Jahren ist der Slalom-Weltmeister von 1987 wunderbar verwittert und erinnert tatsächlich an eine alpine Version von Jürgen Drews. Motto: Ein Bett im Schneefeld. Wobei: Partyschlager („Auf geht’s“) hat er ja auch schon gesungen. Wenn der Fränkie jedes einzelne Detail eines Laufs sofort erspäht, ist das eine Wonne für Lothar- und Schweini-geschädigte Zuschauer. Er ist genau wie Felix Neureuther ein Experte, der sich auskennt und der seinen Sport perfekt erklären kann – dass es sowas noch gibt!

Mal sieht Wörndl, dass bei einem Läufer „die Energie seitwärts verpufft“. Und mal muss er mit beckenbauereskem Slang granteln: „Im letzten Moment die Knie rumgschmissn, das geht nicht.“ Dabei ist er kein überdrehter Schreihals, sondern schaut sich das Spektakel ganz locker und entspannt an. Ob der Österreicher Strolz gewinnen kann? „Lass ma ihn einfach fahren, dann seh ma’s.“

– Bitter für Linus: Beim zweiten Lauf von Linus Straßer schwant dem König von Schnee-Mallorca früh, dass es sich nicht ausgeht mit einer Medaille. „Er klemmt, er klemmt! Er hat die Beine eng zamm, er traut sich nimmer, er geht nimmer!“ Beim Wörndl klemmt’s rhetorisch nie. Und es geht ihm nie so wie dem enttäuschten Italiener Sala: „Da schlafen ihm im wahrsten Sinne des Wortes d’Fiaß ei da unten raus.“

– Der Quarantäne-Neureuther: Im Ersten muss man zunächst die ganzen überflüssigen Präludien überstehen. Da drücken dann Reiterin Jessica von Bredow-Werndl und ihr Pferd die Daumen und die Hufe für den Linus, was niemanden interessiert. Wenn endlich Ski gefahren wird, macht’s aber Spaß mit Bernd Schmelzer und Felix Neureuther. Nach der verpassten Straßer-Medaille kommt es zu einem herrlich dadaistischen Dialog. Felix rauft sich in seinem Isolier-Hotelzimmer die Haare: „Eieiei, ich bin fertig.“ Schmelzer stimmt gleich doppelt zu: „Ich auch. Linus auch.“ Es gewinnt der Franzose Noël, der eine fröhliche Schnei-Nacht erlebt. JÖRG HEINRICH

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