Mailand/Cortina d’Ampezzo – Wintersport-Tradition statt neuer Märkte, bekannte Pisten und Anlagen statt Einwegbauten: So wollen Mailand und Cortina d’Ampezzo 2026 bei der Olympia-Rückkehr nach Mitteleuropa überzeugen. Nach den künstlichen Spielen von Sotschi, Pyeongchang und Peking setzen die Italiener auf heimelige Alpen-Wärme und Nachhaltigkeit. Das hat aber seinen Preis, etwa mit extremen Entfernungen zwischen den Wettkampfstätten und drei olympischen Dörfern.
Nicht nur deswegen treibt die Sportwelt mal wieder die Frage um: Wo können bald überhaupt noch Winterspiele ausgetragen werden?
Die Events in Norditalien sollten beispielhaft sein für die zukünftigen Olympischen Winterspiele, das hofft das Internationale Olympische Komitee (IOC). Gemeint ist vor allem die Nutzung bereits vorhandener Wettkampfstätten: Die Ski-Rennfahrer rasen auf den etablierten Weltcup-Strecken von Bormio und Cortina den Berg hinunter, die nordischen Ski-Asse wetteifern in Val di Fiemme. Die Biathleten treten in Antholz an, für Eiskunstlauf wird eine Halle in Mailand bezogen.
Die Schlussfeier der Spiele soll in der weltberühmten Arena von Verona steigen. Das Amphitheater wurde vor zwei Jahrtausenden von den alten Römern erbaut – nachhaltiger geht es kaum.
„Es wäre doch absurd, Orte vorzuschlagen, wo es die meisten Anlagen noch gar nicht gibt“, sagt Vanda Bonardo von der Internationalen Alpenschutzkommission (Cipra). Im Hinblick auf den Neubau der Bobbahn von Cortina und der Überdachung der Eisschnelllaufbahn in Baselga di Piné aber hat sie „große Zweifel, ob dies wirtschaftlich und umwelttechnisch nachhaltig ist“.
Cipra rief das IOC und die Organisatoren im Januar in einem offenen Brief auf, ihre Olympia-Pläne anzupassen und etwa die Eisrinne von Innsbruck-Igls für Rodeln, Bob und Skeleton zu nutzen. Die Kunsteisbahn in Tirol ist 400 Kilometer von Mailand entfernt und damit noch weiter als das Biathlon-Zentrum von Antholz mit mehr als 350 Kilometern. Das ist die Kehrseite der Nachhaltigkeits-Medaille: Noch nie waren die Sportstätten bei Winterspielen so weit voneinander entfernt, ein Pendeln dazwischen ist kaum möglich.
Hätte Mailand übrigens bei der Olympia-Vergabe gegen Stockholm-Are verloren, wären die Entfernungen noch größer gewesen: Die beiden Orte in Schweden sind mehr als 600 Kilometer voneinander entfernt.
Der Wintersport muss sich auch künftig auf weit verzerrte Spiele einstellen. Barcelona etwa prüft eine Bewerbung für Olympia 2030 mit Bob- und Rodelevents in den französischen Alpen rund 800 Kilometer entfernt. Der Bau einer Eisbahn komme in Spanien nicht in Frage.
Dazu kommen auch noch meteorologische Herausforderungen, die die Suche nach Gastgebern erschweren. Durch den Klimawandel drohen immer mehr Orte auszuscheiden. Jüngst errechnete eine internationale Studie, dass wegen des CO2-Anstiegs von den bisherigen 21 Winterspielorten im Jahr 2050 nur noch vier (Lillehammer, Oslo, Lake Placid und Sapporo) auf verlässlich faire Bedingungen hoffen könnten. Dass die Spiele 2026 so nachhaltig wie möglich sein sollen, ergibt also Sinn. Womöglich findet Olympia letztmals in Norditalien statt. dpa