Yanqing – Francesco Friedrich genoss seinen historischen Olympiasieg im Sonnenschein von Yanqing, hängte jedem seiner Anschieber persönlich die Goldmedaille um den Hals – und dann hatte der Bob-Kaiser plötzlich Stress. Das Viererbob-Team musste schnell ins Vogelnest-Stadion von Peking, in das Anschieber Thorsten Margis die deutsche Fahne bei der Schlussfeier trug. Ein denkwürdiger Abschluss denkwürdiger Winterspiele. Unglaubliche 16 Medaillen sammelten deutsche Rodler, Skeleton- und Bob-Piloten im Goldkanal ein. Allein das hätte in der Medaillenwertung zu Platz zwei gereicht.
„Wir sind wahnsinnig glücklich“, sagte der 31-Jährige nach dem doppelten Double. Noch nie war es einem Piloten gelungen, bei zwei aufeinanderfolgenden Spielen sowohl im Zweier- als auch im Viererbob zu siegen. Cheftrainer René Spies heulte bei der Siegerehrung hemmungslos. Eine immense Last fiel ab, als neben dem Team Friedrich auch noch Johannes Lochner und seine Crew mit Silber grinsten. Seinen Ursprung haben die historischen Spiele von Peking in der Schmach von Sotschi 2014, als das Boblager erstmals seit 50 Jahren leer ausgegangen war. Auch Friedrich zog aus dieser persönlicher Niederlage vor acht Jahren seine unbändige Motivation. „Das wollte ich nie wieder erleben“, betonte der Rekordweltmeister.
„Sotschi war der Startschuss“, sagte Spies. Und in den Bergen nördlich von Peking trieben es Friedrich, Lochner und tags zuvor die Olympiasiegerin Laura Nolte und dahinter Mariama Jamanka fast zur Perfektion. Ein Erfolg, der viele Gründe hat. „Wir haben derzeit drei Bahnen in Deutschland. Wir haben einen Konkurrenzkampf im Land mit vielen Teams. Da macht es einfach die Gruppendynamik, die einen nach vorne bringt. Dann die FES, das Sportsystem in Deutschland mit viel Geld im Rücken“, sagte Bob-Legende André Lange (48), der mit vier Gold- und einer Silbermedaille erfolgreichster Bob-Piloten der Olympia-Geschichte ist. 2026 könnte ihn Friedrich bei den Spielen in Cortina d’Ampezzo allerdings überholen. Der Seriensieger will bis dahin auf jeden Fall weitermachen.
Das nächste Ziel ist jedoch die WM 2023 in St. Moritz. Für Lochner, der am Sonntag in China sein letztes Olympia-Rennen bestritt, wird es vermutlich der Schlusspunkt sein. Zumal er wohl auch in vier Jahren keine Chance auf Gold hätte. „Franz ist der Dominator. Er ist für jeden auf der Welt einfach uneinholbar“, sagte der Oberbayer.
Für Zweierbob-Olympiasiegerinnen Laura Nolte und Deborah Levi nimmt die Karriere dagegen gerade richtig Fahrt auf. „Ich kann es nicht fassen, wir fühlen uns, als wären wir betrunken“, sagte Nolte. Sie ist mit 23 Jahren die jüngste Bob-Olympiasiegerin. „Ja, da kommt noch was, wir sind noch nicht fertig“, sagte die Winterbergerin und plauderte mit deutlich erhöhtem Puls. Erst bei einer Pizza auf dem Fußboden zu Mitternacht im olympischen Dorf konnten die besten Freundinnen ihren Coup sacken lassen.
Einen silbernen Abschied feierte Pyeongchang-Olympiasiegerin Mariama Jamanka. „Das waren definitiv meine letzten Spiele. Von daher bin ich doppelt froh, dass es so ausgegangen ist“, sagte sie und ließ ihre Zukunft in der Eisrinne offen. „Ich mache erst mal Pause, alles andere schaue ich dann noch.“ Für ihre Anschieberin Alexandra Burghardt (Mühldorf) ist ihre Mission beendet. Auf Deutschlands schnellste Sprinterin wartet wieder die Tartanbahn. „Ich hoffe, dass die Silbermedaille die Mädels anspornt für Paris. Da wollen wir dann auch eine Medaille machen“, sagte die Leichtathletin mit Blick auf die deutsche Sprintstaffel. dpa