Hamburg – Mit versteinerter Miene schauten Witali und Wladimir Klitschko in die Kamera, der bewegende Appell der beiden früheren Boxweltmeister geht durch Mark und Bein. „Dieser sinnlose Krieg wird keinen einzigen Sieger hervorbringen, aber Verlierer“, sagt Wladimir Klitschko in einer Videobotschaft und fordert den Westen im Zuge des russischen Großangriffs zum Handeln auf: „Lasst es nicht in der Ukraine passieren, nicht in Europa oder vielleicht der Welt. Zusammen sind wir stark.“
Nach der Verlegung des Champions-League-Endspiels von St. Petersburg nach Paris wollen am Wochenende auch deutsche Verbände und Clubs Zeichen des Protests und für den Frieden setzen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) empfahl den Vereinen der 1. und 2. Bundesliga für alle Spiele eine Schweigeminute. Der Deutsche Olympische Sportbund legte seinen sportartübergreifend 90 000 Vereinen im Rahmen ihrer Wettkämpfe 60 Sekunden des stillen Gedenkens nahe.
Größter gemeinsamer Nenner in der Sportwelt ist derzeit die Absage von Veranstaltungen auf russischem Boden – wie die erwartete Verlegung des Königsklassen-Finals aus Wladimir Putins Geburtsstadt. Zudem cancelte die Formel 1 am Freitag das für den 25. September geplante Rennen in Sotschi. Der Internationale Ski-Verband FIS sagte alle in dieser Saison noch geplanten Weltcups in Russland ab. Das IOC forderte alle internationalen Sportverbände auf, mit ihren in Russland und Belarus geplanten Wettkämpfen ebenso zu verfahren. Auch im Basketball werden bis auf Weiteres keine ausländischen EuroLeague-Teams auf russischem Boden antreten.
Spannend wird sein, wie sich RB Leipzig positioniert. Der Bundesligist bekam in der Europa League am Freitag Spartak Moskau zugelost – ein Boykott des Spiels wäre in der momentanen Gemengelage wohl das stärkste sendbare Signal. Ein Beispiel dafür lieferten die Basketballer des FC Bayern, die am Donnerstag nicht zum Europacup-Spiel gegen ZSKA Moskau antreten wollten – obwohl sich beide Teams bereits in der Münchner Halle befanden.
Auf ein konsequentes Handeln im Sinne für Russland schmerzhafter Einschnitte seitens der großen Sportorganisationen wartete man dagegen vergebens. Auf der mit Spannung erwarteten UEFA-Sitzung am Freitag mochte man sich weder zu einem Rauswurf der russischen Clubs aus den Europacup-Wettbewerben noch zu einer Abfuhr für Hauptsponsor Gazprom durchringen.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der 2024 bekanntlich die EM ausrichtet, zeigte Verständnis für den Aufschub der UEFA-Entscheidung bezüglich des umstrittenen Sponsoringvertrags mit dem russischen Energieriesen. „Die UEFA-Exekutive arbeitet äußerst intensiv und Schritt für Schritt alle sich ergebenden Fragestellungen ab“, teilte der DFB mit: „Aktuell stehen insbesondere humanitäre Fragen wie die Solidarität mit den Menschen, insbesondere aus der Fußballfamilie im Kriegsgebiet, und mögliche Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Menschen im Vordergrund.“
Mit ihrer inkonsequenten Vorgehensweise steht die UEFA nicht alleine da. So beließ es der Fußball-Weltverband FIFA nach einer Council-Sitzung bei einer Zustandsbeschreibung für die Situation in der Ukraine – die Lage sei „tragisch“ und „besorgniserregend“ – auf sportpolitische Konsequenzen verzichteten die Bosse um FIFA-Präsident Gianni Infantino aber.
Man spielt stattdessen auf Zeit. Mit Blick auf die bald anstehenden WM-Playoffs in Russland wolle die FIFA „die Situation weiter beobachten. Wir werden eine Entscheidung treffen, sobald dies notwendig ist.“
Keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit ließ Witali Klitschko, der einst als Schwergewichtsboxer die Gürtel der Verbände WBO und WBC hielt und Kiew seit 2014 als Bürgermeister vorsteht. Er fordert in jeder Hinsicht harte Sanktionen: „Für all das müssen die Russen bezahlen.“ Sie hätten „die internationalen Regeln zerstört. Die Ukraine war immer ein friedliches Land. Aber jetzt müssen wir zu den Waffen greifen und kämpfen.“ dpa
Champions League: Finale nach Paris verlegt