Peking – Leander Kress stürzte sich auf seinem einen Bein waghalsig in den Frühjahrsschnee von Yanqing, legte den Ski nahezu perfekt in die tiefen Wannen – und doch fehlten Welten zu einer Medaille: Rang 22 mit über 14 Sekunden Rückstand stand nach dem Riesenslalom der stehenden Klasse auf der Anzeigetafel. Der 21-Jährige aus Friedberg ist wie alle Einbeinigen derzeit ein Leidtragender des Systems im Ski alpin – auch deshalb blieb Team D Paralympics am Donnerstag erstmals ohne Edelmetall.
„Die Einbeiner sind mit Sicherheit benachteiligt“, monierte der viermalige Paralympics-Sieger Alexander Spitz: „In diesem Faktorsystem hat man mit einem Bein keine reelle Chance zu gewinnen. Man muss Zeiten fahren, die nicht mehr realistisch sind.“ Tatsächlich landete der beste Einbeiner im Duell mit den Zweibeinern lediglich auf Platz 21, gerade einmal knapp zwei Sekunden vor Kress. In gesonderter Wertung wäre er als Zweiter auf einem Medaillenrang.
Bis zu den Spielen 2002 in Salt Lake City fuhren die Einbeinigen in einer eigenen Klasse, sie galt als Königsdisziplin des Para-Wintersports – und Spitz war der große Dominator. Doch nun seien „einbeinige Skifahrer von der aktuellen Klassifizierung nicht unbedingt bevorteilt“, drückte es Bundestrainer Justus Wolf eher diplomatisch aus. Spitz wird da schon deutlicher. „Man sieht zwar fahrerisch bei allen Einbeinern noch ein bisschen Potenzial. Aber ich glaube nicht, dass das Potenzial so hoch ist, dass sie diese vielen, vielen Sekunden einfahren könnten, um ganz oben zu stehen“, erklärt Spitz: „Die sind meilenweit weg. Da scheint etwas nicht in Ordnung zu sein.“
So manchem habe diese Chancenlosigkeit bereits „die Lust“ geraubt, erklärte sich Spitz die nur wenigen einbeinigen Starter in Yanqing: „Viele sagen mittlerweile: Ich brauche eh nicht antreten, weil ich keine Chance habe.“ Seine Forderung: Beim Klassifizierungssystem „muss perspektivisch dringend nachjustiert“ werden. sid