Sinsheim/München – Noch ist es um Julian Nagelsmanns Kopfhaar gut bestellt. „Das Problem ist: Mir wachsen keine grauen Haare, sondern sie fallen aus“, erklärte der Cheftrainer des FC Bayern nach dem 1:1 (1:1) bei der TSG Hoffenheim auf die Frage eines Reporters, ob ihm denn mit Blick auf die Chancenverwertung seiner Mannschaft das eine oder andere Silberhaar gewachsen sei. Der 34-Jährige fügte hinzu: „Ob welche ausgefallen sind, kann ich noch nicht sagen. Ich schaue aber morgen, wenn das Gel weg ist.“
Positiv festzuhalten bleibt also, dass sich Nagelsmann trotz der anhaltenden Formschwankungen seiner Mannschaft seinen Humor bewahrt hat. Schließlich ist das Team des Rekordmeisters nach dem 7:1-Sieg in der Champions League gegen Salzburg am Samstag in Sinsheim quasi aus dem siebten Himmel wieder auf den knallharten Bundesliga-Boden der Realität gefallen.
Nicht nur das Ergebnis war ein anderes als vier Tage zuvor auf europäischer Bühne, auch der Blick auf den Statistikbogen ist zum Haareraufen. Insgesamt 18 (!) Torschüsse feuerten die Münchner auf das von Oliver Baumann famos gehütete TSG-Tor ab, brachten aber nur einen Treffer (Lewandowski), der zählte, zustande (neben drei Abseitstoren). Hierfür hatte Nagelsmann eine – zugegebenermaßen unkonventionelle – Erklärung parat: den schlechten Rasen. „Der Platz war furztrocken, unfassbar trocken“, meinte der Fußballlehrer nach Abpfiff am Sky-Mikro. Und weiter: „Wenn du normal schießt, springt der Ball so komisch weg, weil er nach dem Kontakt vom Platz gebremst wird.“
Ein vermeintliches Handicap, mit dem sich allerdings auch der Gegner herumschlagen musste. Den Schützlingen von Sebastian Hoeneß gelang ebenfalls ein Treffer – sie sorgten somit für Spiel neun von elf seit dem Jahreswechsel, in dem der FC Bayern nicht ohne Gegentor blieb.
Logisch, dass sich Nagelsmann wieder Fragen nach seiner (zu?) offensiven Spielausrichtung mit nur drei gelernten Verteidigern und bis zu fünf Stürmern anhören musste – ein Thema, das der Fußballlehrer offensichtlich nicht mehr mit Humor nimmt. „Ich habe die Frage in den letzten vier Wochen 1734 mal gestellt gekriegt. Ich finde es gegenüber Spielern wie Serge (Gnabry) oder King (Coman) despektierlich. Die ganze Welt behauptet, sie könnten nicht verteidigen. Aber beide können das, das hat man heute auch gesehen“, so der – leicht gereizte – Nagelsmann.
Fakt ist: Auch das Gegentor in Sinsheim, bei dem Lucas Hernandez bei David Raums Hereingabe den Passweg zu Torschütze Christoph Baumgartner nicht zustellte, zeigte: Die größte Bayern-Baustelle bleibt der Defensivverbund, an dem selbstverständlich auch die Offensivkräfte der Münchner beteiligt sind.
Ernsthafte Konsequenzen dürfte das Remis in Sinsheim angesichts der fehlenden Konkurrenz im deutschen Oberhaus für die Bayern aber nicht haben. Die Dortmunder Borussen sind noch immer auf Distanz zum Tabellenführer. Und das Nachholspiel beim FSV Mainz 05 (am Mittwoch) hat der BVB auch noch nicht gewonnen. Insofern braucht sich Nagelsmann auch weiterhin keine Sorgen um seine Haarpracht machen. Gel hin oder her.