Sakhir/München – Sebastian Vettel (34) ist raus: Der Ex-Weltmeister ist unmittelbar vor dem Saisonstart der Formel 1 positiv auf Corona getestet worden und verpasst deshalb den Auftakt in Bahrain. Sein Cockpit bei Aston Martin übernimmt am Sonntag (16.00 Uhr, Sky) der deutsche Routinier Nico Hülkenberg. Wie es Vettel geht, was ihn sonst beschäftigt – das Interview!
Herr Vettel, wie fühlen Sie sich nach dem positiven Test?
Es ist, wie es ist. Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Ich werde jetzt alles dafür tun, so schnell wie möglich wieder fahren zu können. Ich stehe mit den Ingenieuren in Kontakt und helfe von zu Hause aus, so gut es geht. Ich drücke dem Team und Nico die Daumen. Die Freude auf das erste Rennen ist trotzdem da. Auch wegen der spannenden Ungewissheit, wo man leistungsmäßig steht.
Bevor wir zur sportlichen Perspektive kommen: Wie sehr belastet Sie immer noch der Krieg in der Ukraine? Bei den letzten Tests in Bahrain haben Sie mit Ihrem Helmdesign ein klares Statement gegen Krieg abgegeben.
Natürlich belastet das einen. Muss es auch. Jeden Morgen wacht man mit neuen Horrormeldungen auf und fasst sich nur noch ungläubig an den Kopf. Jeder Krieg ist einer zu viel, aber ein Krieg mitten in Europa? Wer hätte sich das noch vor wenigen Monaten vorstellen können?
Sind Formel-1-Fahrer nicht eher bekannt dafür, wegzuschauen und ihre Komfortzone lieber nicht zu verlassen?
Das gilt nicht für mich. Schweigen hilft nicht. Sportstars haben Verantwortung, was ihre Vorbildfunktion betrifft. Also muss man sich dieser Verantwortung auch stellen. Ich jedenfalls weiß, was ich tun muss.
Auch wenn es unbequem wird? Es kann doch nicht allen Entscheidungsträgern gefallen haben, wie Sie ständig für größere Nachhaltigkeit der Königsklasse plädieren und für Gleichberechtigung eintreten.
Ich bin jetzt in einem Alter, wo man Dinge klarer sieht. Wo man klarer sieht, wer man ist und was einem wichtig ist. Das ist ein ganz normaler Entwicklungsprozess. Wenn es jemandem nicht passt, was ich sage oder mache, kann der gerne zu mir kommen und darüber diskutieren. Wir leben zum Glück in einer Demokratie.
Kommen wir zu Ihrem Job. Was kann man in dieser Saison von Ihnen erwarten?
Grundsätzlich bin ich ganz zufrieden mit den Tests. Das Auto macht im Grunde, was ich will, und das ist schon mal positiv. Auch die Zuverlässigkeit stimmt. Das ist nicht unwichtig, wenn es ein extrem neues Reglement gibt und die Geburt eines Autos quasi mit einem weißen Blatt Papier beginnt. Doch wo wir genau stehen, kann ich noch nicht einschätzen. Wir sind in diesem Jahr bei den Tests wahrscheinlich einen etwas anderen Weg gegangen als die anderen Teams und haben erst mal nur auf uns geschaut. Genaues wissen wir erst beim ersten Qualifying, wenn alle die Hosen runterlassen. Aber da sprechen wir ja auch nur vom ersten von 23 Rennen.
Soll heißen?
Durch die neuen Regeln steht jedes Auto beim ersten Rennen erst am Anfang. Ziel muss es sein, das Auto konsequent weiterzuentwickeln und die Schwächen abzustellen, die man noch hat.
Kann man im positivsten Fall mit Siegen rechnen?
Das hoffe ich natürlich, aber realistisch ist das nicht. Man muss ja sehen, wo wir herkommen. Die neue Teamstruktur ist langfristig angelegt und zielt darauf, in zwei oder drei Jahren um den Titel fahren zu können. Träumen darf man zwar, aber man sollte dabei nie sein realistisches Ziel aus den Augen verlieren.
Sie sind jetzt 34 Jahre, wie lange wollen Sie noch fahren?
So lange ich die Leidenschaft für meinen Job verspüre, so lange ich mich für das begeistern kann, was ich mache. Im Moment brenne ich noch wie immer.
Machen Sie Ihre Zukunft als Formel-1-Fahrer auch vom Erfolg abhängig?
Etwas schon. Aber Erfolg hat nicht nur mit Siegen zu tun. Sondern ich muss Fortschritt erkennen, immer ein Licht am Ende des Tunnels sehen. Erst wenn ich mir die Frage stellen muss, ob sich der ganze Aufwand noch lohnt, ob das Ganze noch Sinn für mich ergibt, denkt man übers Aufhören nach.
Sie sprachen am Anfang von der Verantwortung, die Sportstars haben. Was ist mit Ihrer Verantwortung gegenüber jungen Kollegen, die wie Sie auch Deutsche sind? Würden Sie einem Mick Schumacher auch dann noch mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn er plötzlich ein direkter Konkurrent um Podiumsplätze ist?
Ja. Mick ist ein toller Mensch, der viel Talent hat. Ich glaube nicht, dass er meinen Rat braucht, aber wenn er zu mir kommt, werde ich immer ein offenes Ohr für ihn haben. Bei allem Konkurrenzkampf: Es gibt Werte, die wichtiger sind im Leben. Egal, wie die sportliche Situation ist. Man muss ja auch nicht gleich Geheimnisse des Autos verraten, um ehrliche Ratschläge zu geben. Im Übrigen hoffe ich sogar, dass wir beide irgendwann einmal um Podiumsplätze kämpfen können. Das ist doch am Ende sportlich genau das, was wir alle wollen.
Interview: Ralf Bach