Frankfurt – Der Ort, an dem die Nationalmannschaft ins WM Jahr 2022 startet, lässt langjährige DFB-Beobachter in Nostalgie schwelgen. Bundestrainer Hansi Flick versammelt seine Mannschaft im Hotel Kempinski Gravenbruch in Neu-Isenburg, vor den Toren Frankfurts, um die erste Episode seines Katar-Castings abzuhalten.
Das letzte Mal gastierte eine DFB-Truppe dort im Jahr 2004 unter Teamchef Rudi Völler. Auch dessen Vorgänger vertrauten dem Terrain nahe dem Frankfurter Stadtwald. Erst als Jürgen Klinsmann übernahm, ging es in Sachen Mannschaftshotel urbaner zu und die Nationalelf logierte in zentraler Ortslage. Für Flick gilt es in Frankfurt und den beiden Freundschaftsspielen am Samstag in Sinsheim gegen Israel (20.45 Uhr, ZDF) und dienstags darauf in Amsterdam gegen die Niederlande (20.45 Uhr, ARD), sich einen Überblick über gesetzte und potenzielle WM-Fahrer zu verschaffen. Oder wie es der Bundestrainer formuliert: „Wir wollen einen Mix finden aus Ausprobieren und Einspielen.“ Das sei allerdings nicht einfach, man sei da auch ein bisschen in der Zwickmühle.
Was Flick meint: Zu viele Experimente verlangsamen das Einstudieren sogenannter Automatismen. Doch eine gewisse Experimentierfreude braucht der Bundestrainer, wie die jüngsten Erfahrungen in Sachen Kader-Dezimierung aufgrund von Corona-Infektionen oder Verletzungspech gezeigt haben. Der eine oder andere Leistungsträger fehlt Flick auch jetzt, wie ein kurzer Blick in die Ausfallliste zeigt: Niklas Süle (26/Muskelfaserriss), Leon Goretzka (26/Vorsichtsmaßnahme nach Patella-Problemen), Marco Reus (32/krank), Florian Wirtz (18/Kreuzbandriss). Also bekommen vermeintliche Außenseiter eine Chance, sich zu beweisen. Die Nominierungen der DFB-Rückkehrer um Julian Weigl (26/Benfica Lissabon) oder Benjamin Henrichs (25/ RB Leipzig) wirken recht exotisch – der eigentlich ebenfalls nominierte Robin Koch (25/ Leeds United) reiste wegen eines positiven Schnelltests doch nicht an.
Und mit dem Mainzer Anton Stach (23) hat Flick wieder einen A-Neuling aus dem Hut gezaubert. Darüber hinaus darf sich mit PSG-Kicker Julian Draxler (28) erneut ein 2014er Weltmeister empfehlen. „Wir nutzten die zehn Tage, um uns ein Bild zu machen“, kündigte Flick an: „Wenn wir es jetzt nicht machen, dann brauchen wir es gar nicht mehr zu machen.“
Wie der DFB mitteilte, wird auch Mittelfeldchef Joshua Kimmich (27) erst später zur Mannschaft stoßen. Der Grund ist jedoch ein freudiger: Der Bayernspieler und Freundin Lina Meyer erwarten ihr drittes Kind. „Jo ist ein absoluter Familienmensch. Die Geburt eines Kindes ist ein besonderer Moment im Leben. Wir hoffen, dass er, wenn alles gut verlaufen ist, bald bei uns ist“, sagt Flick.
Gut möglich, dass Jamal Musiala durch die Kimmich-Abwesenheit auch beim Bundestrainer als Sechser vorspielen darf. Er selbst habe „auch schon daran gedacht, ihn auf der Sechs spielen zu lassen“, verriet der ehemalige Bayern-Coach: „Ich habe ihm das zugetraut.“ Musiala verfüge nicht nur über eine exzellente Technik und enorme Geschwindigkeit, sondern sei auch „schlau im Zweikampf“. Ein bisschen Zeit für Experimente hat Flick bis zum Turnierstart am 21. November ja noch.