Erkrankte Sportler

Tückische Gratwanderung

von Redaktion

FRANK HELLMANN

Erst am vergangenen Samstag ist in Mainz eine große Runde renommierter Sportmediziner zusammengekommen. Viele aus dem Fußball, aber auch aus Eishockey, Handball oder Basketball. Ganz am Ende der Fortbildungsveranstaltung sprach mit Jochen Veit jener Teamarzt aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), der bei einem Corona-Massenausbruch mal genauer hingeschaut hat – und alle Kollegen davor warnte, erkrankte Sportler nach Covid-Infektionen zu früh wieder in den Trainings- und Spielbetrieb zurückzuschicken.

Veit hat von den Medizinern viel Applaus bekommen, weil er aus Verantwortung für den Menschen argumentierte – und sich nicht von Vereinen und Verbänden treiben lassen will, die oft der Gesundheit der Akteure nicht die oberste Priorität einräumen. Sondern der Fortsetzung des Profisports in Pandemiezeiten.

Es ist eine tückische Gratwanderung für das medizinische Personal in allen Sportarten, wie es sich im Corona-Spannungsfeld verhalten soll. Nun ist am Montag der nächste Vorfall passiert, der zwar nichts mit dem tückischen Virus, aber viel mit dem Risiko im Krankheitsfall zu tun hat. Und bei dem unvorsichtig gehandelt wurde.

Anders ist es ja kaum zu erklären, dass der italienische Topfahrer Sonny Colbrelli kurz nach der Zielankunft auf der ersten Etappe der Katalonien-Rundfahrt einen Herzanfall erlitten hat. Erst nach einer Herzmassage kam Colbrelli wieder zu Bewusstsein. Am Abend hieß es dann, dass sich der Fahrer in „stabilem Zustand“ befinde. Zum Glück. Er habe im Ziel das Bewusstsein verloren, schrieb das Team noch bei Twitter und dankte den Ärzten für die schnelle Hilfe. Doch heraus kam auch, dass Colbrelli, 31, schon beim Rennen Paris-Nizza wegen einer Bronchitis ausgestiegen war und deswegen auch auf einen Start bei Mailand-Sanremo vergangenen Samstag verzichtet hatte. Bei einer Bronchitis aber, nur logisch, ist von erhöhter Belastung fürs Herz nicht nur für ein, zwei Tage abzuraten, sondern wäre eine längere Pause nötig.

So lange sich Teamchefs, Teamärzte und letztlich auch Profis darüber hinwegsetzen, sind sie selbst schuld, wenn sie irgendwann bleibende Schäden davontragen – oder in diesem Fall im Ziel vom Rad kippen. An diesem Punkt waren sich übrigens die Experten in Mainz einig: In einigen Jahren werden Scharen von Profisportlern über Long-Covid-Folgen klagen, von denen sie heute nichts ahnen. Nur soll bitte diesen Ärzten niemand vorwerfen, sie hätten nicht zur Vorsicht geraten.

sport@ovb.net

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