Frankfurt/Main – Acht Monate bleiben nur noch bis zum WM-Anpfiff am 21. November in Doha. Bundestrainer Hansi Flick (57) hat bis dahin noch acht Länderspiele, um an der Form seines Teams zu feilen. Und nach den ersten beiden Einheiten in Frankfurt ist klar: Hansi passt noch längst nicht alles! Bereits beim ersten Training wurde der Ton gegenüber dem einen oder anderen Nationalspieler rauer. „Saubere Pässe und klare Bälle spielen, Männer“, brüllte Flick über den Platz. Dass in einer Übung auf zwei Mini-Tore kaum Treffer fielen, hatte auch er registriert.
Flick zieht die Zügel an – und erhält Unterstützung von DFB-Direktor Oliver Bierhoff (53). „Wichtig wird die Entwicklung in den Vereinen sein“, sagt er. „Da haben wir Spieler, die auf einer Erfolgswelle schweben wie Ilkay Gündogan oder Kevin Trapp. Und es gibt Spieler, die weniger Spielzeit haben, wie Julian Draxler und Thilo Kehrer.“ Dann folgt die knallharte WM-Ansage: „Es wird entscheidend sein, dass wir Spieler im November haben, die im Saft stehen und eine Spielkontinuität haben.“ Heißt: Spieler, die nur gelegentlich bei ihren Klubs zum Zug kommen, brauchen sich keine Hoffnungen auf ein WM-Ticket zu machen.
Die Profis müssten frühzeitig „körperlich und mental den absoluten Willen aufbauen, um ein erfolgreiches Turnier zu spielen“. Deshalb sei es jetzt schon die Forderung, die WM bereits im Kopf zu haben. „Man kann sich nicht über Nacht auf so ein Turnier vorbereiten“, sagt Bierhoff.
Darum dürften ihn die Worte von Thomas Müller (32) erfreut haben. Der Nationalspieler weiß für sich persönlich schon genau, wie die richtige WM-Vorbereitung aussieht: „Für mich geht es darum, ein Maß zwischen An- und Entspannung zu finden. Wie viel Zusatztraining bringt mich weiter? Was ist mit Ernährung und mentalen Dingen? Da hat jeder eine andere Herangehensweise. In diesem Geflecht von Optimieren, Optimieren, Optimieren darf man in jedem Fall nicht die Lockerheit verlieren.“
Das WM-Jahr begann Bundestrainer Flick bereits mit einem eindringlichen Appell: Er braucht in den nur 28 Turniertagen von Katar „Spieler, die alle drei, vier Tage in der Lage sind, Höchstleistungen abzurufen“. Flick fordert: „Jeder einzelne Spieler muss versuchen, an sich zu arbeiten! Nicht nur im technisch-taktischen Bereich, sondern auch physisch. Wenn wir in Katar erfolgreich sein wollen, dann ist das die absolute Grundvoraussetzung, dass alle Spieler topfit sind.“ Nur dann ist der Weltmeister-Titel erneut möglich.
Kapitän Manuel Neuer (35) war beim Start unter Löw-Nachfolger Flick der erste Akteur, der klar das Ziel WM-Titel erklärt hatte. „Wir als Profi-Sportler werden an Trophäen und Titeln gemessen. Für mich gibt es nur ein Ziel, das ist der WM-Titel“, erneuerte er seine Jahresvorgabe. „Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir die Vision haben, vom ersten Tag an dieses Ziel zu verfolgen. Da bleibe ich dran“, sagte die deutsche Nummer eins vor den ersten Tests 2022 am Samstag gegen Israel und am Dienstag in den Niederlanden.
Den fünften WM-Stern hält auch Bierhoff für den logischen DFB-Anspruch. „Realistisch ist es auf jeden Fall. Wenn alle gesund sind und wir mit kurzfristigen Absagen nicht leben müssen, werden wir einen sehr guten Kader haben.“ Klar ist aber auch: Spieler ohne Stammplatz-Perspektive sollten im Sommer lieber den Verein wechseln.