„Ich hatte schon immer blaues Blut“

von Redaktion

Der Olchinger SPD-Politiker Michael Schrodi hat in Berlin die „Bundestagslöwen“ gegründet

München – Einst Amateurkicker und Westkurvenfan, seit 2017 Bundestagsabgeordneter für die SPD – und jetzt auch Gründer der „Bundestagslöwen“. Der Olchinger Michael Schrodi, 44, hat in Berlin gleichgesinnte Politiker um sich geschart – die Zaunfahne des neuen Fanclubs soll künftig bei Heim- und Auswärtsspielen hängen.

Herr Schrodi, wie kam’s zur Gründung der Bundestagslöwen?

Zum einen habe ich ein altes Versprechen eingelöst. Kumpels von mir hatten das gefordert für den Fall, dass ich in den Bundestag komme. Zum anderen wusste ich auch von anderen Politikern, die mit 1860 fiebern. Da hab ich mir gesagt: Die führst du jetzt mal zusammen.

Wird im Bundestag so viel über Fußball geredet, oder wie entdeckt man da Gleichgesinnte?

Einiges kriegt man tatsächlich in Gesprächen raus. Wir haben aber auch fraktionsübergreifend alle Abgeordneten angeschrieben – außer die der AfD. Teile unserer Satzung haben wir von der Löwen-Satzung übernommen: gegen Rassismus, gegen Diskriminierung. Und da haben wir gesagt: Nee, die AfD wollen wir nicht dabei haben.

Wie viele der angeschriebenen Abgeordneten haben sich denn zurückgemeldet?

Einige. Nicht nur MdBs, auch Mitarbeiter, die ja auch Mitglied werden dürfen. Insgesamt sind wir jetzt sieben MdBs – und elf Mitarbeiter. Die meisten sind natürlich Exil-Bayern, die es nach Berlin verschlagen hat. Es gibt aber zum Beispiel auch einen hessischen Abgeordneten, der immer schon Löwen-Fan war. Der hat schon als Kind Spiele besucht, wenn wir in Baunatal oder sonst wo in Hessen gespielt haben.

Sie selber sind ja der Neffe des 70er-Jahre-Idols Georg Metzger. Da hat man keine andere Wahl, als Löwen-Fan zu sein, oder?

Kann man so sagen. Meine Mutter war hochschwanger beim Relegations-Entscheidungsspiel gegen Bielefeld (2:0 am 11. Juni 1977/Red.). Sie konnte deswegen nicht nach Frankfurt fahren und hing mit dem Ohr am Radio. Als Kind war ich dann häufiger mit am Trainingsgelände. Es ging praktisch nicht anders, ich hatte schon immer blaues Blut.

Ist das alte Frucade-Trikot auf dem Foto also ein Familienschatz?

So ist es. Mein Onkel hat es mir geschenkt und gesagt: Das ist das Originaltrikot aus dem Frankfurt-Spiel. Ich kann es nicht verifizieren, aber nehme es so hin. Das Trikot hat für mich einen hohen Stellenwert, ich ziehe es nur bei besonderen Anlässen an.

Unterstützt der Metzger Schorsch dann auch Ihre Fanclub-Gründung? Sein Kontakt zum Verein gilt ja als erkaltet.

Auch ich habe schon länger keinen Kontakt mehr, leider. Er lebt am Ammersee und hat sich ziemlich zurückgezogen. Seit sieben, acht Jahren sieht man sich nur noch bei irgendwelchen Geburtstags- oder Traueranlässen.

Oder ist er vielleicht kein Sozi?

Das weiß ich gar nicht (lacht). Über Politik hab ich mit ihm noch nie gesprochen.

Jetzt ist der Fanclub gegründet, pandemiebedingt mit einem Jahr Verspätung. Wie soll er künftig gelebt werden?

Wir werden auf jeden Fall organisieren, dass wir gemeinsam Spiele besuchen. Ich hab ja auch eine Jahreskarte fürs 60er-Stadion. Im Moment klären wir, ob wir in der Stehhalle irgendwo unsere Zaunfahne hinhängen können. Wir werden schon sichtbar sein. Und klar: Auswärtsspiele im Norden werden wir auch besuchen.

Wie jüngst beim 2:0-Sieg bei Viktoria Berlin.

Genau. Da hing zum ersten Mal unsere Fahne – drei Tage vor der Gründung, bei der übrigens auch Robert Reisinger und Hans Sitzberger vor Ort waren (der Präsident und einer der Vizes/Red.).

Ist auch ein Stammtisch geplant?

Gerne – wenn sich’s ergibt. Es ist immer schön, wenn man mal zusammensitzt und über Fußball redet – und nicht über Corona, Klima, Finanzen oder die Ukraine. Motto: In den politischen Farben getrennt, aber geeint in den Sechzger-Farben.

Ohne diesem Austausch vorgreifen zu wollen, aber ist man bei den Bundestagslöwen mit der bisherigen Saison zufrieden? Sie selber sind ja vom Fach als früherer Amateurkicker.

Fußballerisch haben wir keine gute Saison gespielt, aber seit das wieder System offensiver ausgerichtet ist, kann man’s wieder besser anschauen. Es freut mich auch, dass wir trotz des durchwachsenen Saisonverlaufs immer noch Chancen auf den Aufstieg haben.

Ein wohlwollendes, aber auch strenges Urteil.

Mei, ich hab ja selber vierte Liga gespielt – und sogar mal ein Tor gegen 1860 II geschossen. Mit Bruck galten wir damals als 60er-Schreck. Ich maße mir schon an, ein bisschen zu wissen, wie Fußball funktioniert. Am Ende bin ich aber vor allem ein Vollblutfan. Früher Westkurve, jetzt Bundestagslöwen – und natürlich sind auch meine Kinder am Tag der Geburt Lebensmitglieder geworden.

Bleibt noch die Frage nach Ihrem Lieblingslöwen.

Aktuell Richie Neudecker. Supertechniker, feines Füßchen – eigentlich ist er zu stark für die 3. Liga. Und der Allzeitliebling, das ist natürlich der Fußballgott: Thomas Miller. Er ist der Urlöwe, Brucker noch dazu – kaum einer hat Sechzig gelebt wie er.

Unvermeidliche Abschlussfrage: Schaffen die Löwen im Endspurt noch den ersehnten Aufstieg?

(lacht) Ich will sie nicht zu sehr unter Druck setzen. Momentan bin ich zufrieden – alles was jetzt noch mehr gehen würde, wäre das i-Tüpfelchen.

Interview: Uli Kellner

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