Aus, vorbei, Abpfiff nach 31 von 38 Spieltagen, was der 75. Minute eines Fußballspiels entspricht. Es ist die Phase, in der es spannend wird – und wer schon mal einen Spielabbruch erlebt hat: Nichts ist frustrierender als eine geplatzte Show, für alle Beteiligten. Wobei Türkgücü sich den vorzeitigen Ausschluss aus dem Profifußball redlich verdient hat. Schnell hochgeschossen, ohne das entsprechende finanzielle Fundament. Sich abhängig gemacht von einem launischen Alleinherrscher. Selbst im Winter wurde noch ein argloser Trainer angelockt, unter Vortäuschung geschönter Zukunftsaussichten.
In Türkgücü verabschiedet sich ein Verein, den das Publikum nicht geliebt hat. Nicht mal die stattliche türkische Gemeinde im Großraum München konnte sich für das Projekt von Hasan Kivran erwärmen. Nur 1666 Fans kamen im Schnitt zu den Heimspielen, das Derby gegen 1860 mit 8503 Zuschauern eingerechnet. Nur Dortmund II, Havelse und Verl weisen schlechtere Zustimmungswerte auf bei den 54 Clubs in den deutschen Profiligen.
Und trotzdem: Subjektiv konnte man den von Gastarbeitern gegründeten Fußballclub durchaus spannend finden. Langweilig war es nicht, wenn Kivran seine Launen hatte, der junge Geschäftsführer Max Kothny mit 60-Schlachtross Mölders in den verbalen Infight ging – sogar das Wehklagen „Wir gegen den Rest der Welt“ (inkl. Androhung von Heimspielen in NRW) hatte einen gewissen Charme. Schade also, dass es so gekommen ist. Nachdem München vorige Saison noch Drittligaderbys en masse zu bieten hatte, muss 1860 nächste Saison wohl alleine die Farben der Landeshauptstadt hochhalten.
In Türkgücü und dem DFB, der seiner Finanzaufsichtspflicht unzureichend nachgekommen ist, stehen also vorzeitig zwei große Verlierer dieser Saison fest. Es gibt aber auch Gewinner. Gemeint sind nicht die Löwen, die punktemäßig vom Aus des (ungeliebten) Stadtrivalen profitieren. Wahre Gewinner sind der Trainer Andreas Heraf und seine Profis, die großen Sportsgeist bewiesen, seit ab Februar die Insolvenz besiegelt war, Gehälter reduziert wurden und wenig Hoffnung auf eine Rettung bestand. 1860 niedergerungen, auch den Tabellenführer Magdeburg (jeweils 2:1). Das Team hat bis zuletzt gekämpft, gekratzt, gebissen, Charakter bewiesen und auch den sportlichen Wettbewerb geschützt. All das sollte man in Erinnerung behalten, wenn der Club nächstes Jahr sein Comeback in der bayerischen Provinz feiert.
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