München – Ägäis. Sehnsuchtsziel von Seglern und Inselhoppern, ein Traumreiseziel – neuerdings aber auch verbunden mit dem Untergang des Münchner Drittligisten Türkgücü. Eine gleichnamige Gaststätte grenzt an das Trainingsgelände der „türkischen Kraft“ in Perlach – sie wurde gestern Schauplatz einer kurzen, sehr traurigen Betriebsversammlungen. Ab 11 Uhr trafen Spieler, Angestellte und Staff des Pleiteclubs ein, bereits um 11.34 Uhr wurde eine vorbereitete Pressemitteilung verschickt. Insolvenzverwalter Max Liebig hatte dann die undankbare Aufgabe, der Belegschaft reinen Wein einzuschenken – indem er den erwarteten Rückzug des Clubs aus dem Drittligaspielbetrieb bestätigte.
„Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass die Türkgücü München Fußball GmbH & Co. KGaA den Spielbetrieb in der 3. Liga einstellen muss“, hieß es im Einlauftext der Rundmail, der eine Erläuterung des Geschäftsführers folgte. „Eine weitere Aufrechterhaltung des Spielbetriebs wäre nur durch Bereitstellung neuen Kapitals von dritter Seite möglich gewesen“, wird Max Kothny zitiert: „Die zu erwartenden Einnahmen aus dem Spielbetrieb bis Saisonende können die laufenden Kosten bei Weitem nicht decken. Trotz intensiver Bemühungen in den vergangenen Wochen konnte leider kein neuer Investor gefunden werden.“
Der hohe Punktabzug, der Türkgücü durch den DFB auferlegt wurde (zwei plus neun Punkte), habe die Suche nach einem Nachfolger von Hasan Kivran zusätzlich erschwert. „Die Mannschaft hat in den vergangenen Wochen gezeigt, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt aufgegeben hat. Das hat auch potenzielle Geldgeber beeindruckt, die jedoch schlussendlich durch das hohe Risiko eines Abstiegs in Folge des drohenden Punktabzugs abgeschreckt wurden.“ Ob und in welcher Liga die Perlacher in der Saison 2022/23 antreten, werde sich in den kommenden Wochen entscheiden.
Bereits besiegelt ist, dass die Drittligatabelle nach der Annullierung der Türkgücü-Spiele durcheinandergewirbelt wird. Größter Profiteur ist der TSV 1860, der lediglich einen Punkt verliert. Aufstiegsfavoriten wie Kaiserslautern und Braunschweig verlieren drei Punkte, Saarbrücken deren sechs, was Geschäftsführer David Fischer kommentierte: „Wir sind schlussendlich der Verein, der punktemäßig am meisten verliert. Da ist ein gewisser Frust dabei“, so Fischer. So viel scheinbar, dass der Verein nun rechtliche Schritte prüft: „Wir werden alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um dieses unsportliche und unfaire Vorgehen des Punktabzuges zu verhindern“, hieß es.
Bei Türkgücü war ein relativ gefasster Umgang mit der (erwarteten) Schocknachricht zu beobachten. Die zehnminütige Versammlung war kaum vorüber, da ging das Gros der Profis nicht etwa nach Hause oder gar zum Frustsaufen – sondern auf den Rasenplatz nebenan, auf dem Coach Andreas Heraf ein Anti-Frust-Training anbot. „Es ist natürlich ein trauriger Moment“, sagte der Wiener: „In Wahrheit haben wir irgendwie damit gerechnet, aber wenn du es endgültig gesagt kriegst, ist das schon noch mal ein Nackenschlag.“ Sein Team hatte sich zuletzt von der charakterlich besten Seite gezeigt. Herafs Empfehlung, „sich in die Auslage für andere Vereine zu stellen“, wurde von den Spielern befolgt. Erfreulicher Nebenaspekt an einem ansonsten schwarzen Donnerstag.