München – Die Fußballwelt im Umbruch. In England und Europas Süden verändern Oligarchen und Schuldenbarone mit Milliardeninvestitionen die Spielregeln. In Europas Spitzenfußball gibt es nur noch eine Konstante, die sich von diesem Geschäftsgebaren distanziert und trotzdem herausragende Erfolge feiert: der FC Bayern München. In unserer Serie „Mia san mia – wie der FC Bayern Tradition & Zukunft verbindet“ blicken wir hinter die Kulissen und zeichnen nach, wie die Bayern auch in Zukunft bestehen können. Mit den Fußball-Profis, den Basketballern oder als Eigentümer der Allianz Arena. Heute: Sportdirektorin Bianca Rech (41) über die großen Ziele der Bayern-Frauen.
Frau Rech, die Bayern-Frauen liegen in der Mission Bundesliga-Titelverteidigung auf Tabellenplatz zwei im Soll. Auch in der Champions League ist trotz des 1:2 im Hinspiel in Paris noch alles drin. Mia san mia gilt scheinbar nicht nur bei den Männern …
Die Historie der Männer lässt sich mit der der Frauen nicht vergleichen. Fest steht dagegen schon, dass in der Frauen-Abteilung insbesondere in den vergangenen zehn Jahren sehr gute Arbeit geleistet worden ist. Aber wir wollen mehr. Auch in dieser Saison lautet das große Ziel die deutsche Meisterschaft, schließlich stellt der Ligatitel die Basis für den weiteren Erfolg dar. Wenn sich Spielerinnen für den FC Bayern entscheiden, dann müssen sie diese Siegermentalität und die Lust nach Titeln auch mitbringen.
Wie hat sich die Frauen-Abteilung des FC Bayern im Laufe der vergangenen Jahre verändert und welche Ziele will und muss sie auf lange Sicht verfolgen?
Die größte Veränderung war sicherlich 2017 der Umzug an den FC Bayern Campus. Dadurch haben wir ein absolut professionelles Set-up zur Verfügung gestellt bekommen. Trainingsmöglichkeiten, Infrastruktur – all das war vorher in dieser Form nicht gegeben und gibt uns ganz andere Argumente, wenn es darum geht, Spielerinnen für den FC Bayern zu begeistern. Auch mit Blick auf die Konkurrenz in Europa können wir da sehr gut mithalten. Was die Zukunft angeht, so wollen wir natürlich auch auf lange Sicht die Nummer eins in Deutschland sein. Wir sind zwar jetzt Meister geworden, aber noch wichtiger ist es, sich ganz oben zu etablieren. Dasselbe gilt auch für Europa, wo es unser großes Ziel ist, eines Tages den Champions-League-Titel nach München zu holen.
Gibt es Schnittstellen mit den Männern oder funktionieren die Bayern-Frauen autark?
Grundsätzlich arbeiten beide Mannschaften eigenständig, was ja sinnvoll ist, aber wir nutzen Synergien in spezifischen Bereichen wie beispielsweise dem Torwart- und Athletiktraining oder auch in der medizinischen Abteilung. Darüber hinaus pflegen wir speziell am Campus einen regen Austausch mit den Junioren, zum Beispiel, wenn es um Talentförderung oder Individualtraining geht. Ganz generell bekommen wir vom Verein jede Unterstützung, die wir brauchen. Wir wissen, dass die Türen in der gesamten Führungsetage für uns immer offen sind.
Die Zuschauerzahlen belegen, dass das Interesse größer wird. Die Kluft zu den Männern bleibt aber dennoch.
Ich finde den Vergleich grundsätzlich schwierig. Wir sollten damit aufhören, den Frauen- und Männerfußball miteinander zu vergleichen. Der Männerfußball steht nicht nur hier in Deutschland, sondern so gut wie überall über allen anderen Sportarten. Die aktuelle Entwicklung bei den Frauen jedenfalls ist positiv zu bewerten, mit der EM in England sowie der WM im kommenden Jahr werden wir weitere Schritte nach vorne machen. Über allem steht die Sichtbarkeit. Mithilfe von verstärkter TV-Präsenz zu attraktiven Uhrzeiten, Qualität der TV-Übertragungen sollte es möglich sein, ein noch breiteres Publikum zu erreichen.
Einen besseren Rahmen als Wembley oder Old Trafford, wo bei der EM im Sommer ebenfalls das eine oder andere Spiel steigen wird, kann es da nicht geben.
Absolut! Die WM 2019 in Frankreich hat uns ja bereits gezeigt, was möglich sein kann. Ganz egal, ob Fans vor Ort oder Zuschauerzahlen zu Hause am Bildschirm – es zeigt sich, dass auch der Frauenfußball Massen begeistern kann.
Für das Viertelfinale in der Königsklasse gegen PSG sind die Bayern-Frauen in die Allianz Arena gezogen. 13 000 Zuschauer sind gekommen. Ein Meilenstein?
Die Signalwirkung ist natürlich immens. Die Allianz Arena ist eine wunderbare Bühne.
Die Frauen des FC Barcelona haben bei ihrem Viertelfinale gegen Real Madrid das Camp Nou komplett gefüllt.
Wir sprechen hier von der aktuell besten Mannschaft der Welt. Das spielt natürlich eine große Rolle. Wirft man einen Blick auf den normalen Ligabetrieb, so merkt man aber relativ schnell, dass solche Zuschauerzahlen auch in Spanien Seltenheitswert haben.
Braucht es auch hierzulande Zugpferde wie Barças Weltfußballerin Alexia Putellas?
Wir haben in Deutschland und gerade beim FC Bayern viele internationale Ausnahmespielerinnen, unter anderem auch viele deutsche Nationalspielerinnen. Ich denke da an junge, aufstrebende Spielerinnen wie Giulia Gwinn bei uns, aber auch an eine Laura Freigang oder Lena Oberdorf, die alle großes Potenzial haben. Sie setzen die Tradition fort, dass wir in Deutschland auch früher schon in Spielerinnen wie Birgit Prinz oder Nadine Angerer internationale Aushängeschilder hatten.
Würde es helfen, wenn ein eigener Verband die Interessen der Frauen vertreten würde?
Ja und nein. Ja, weil wir sicherlich die Möglichkeit hätten, uns kreativer, dynamischer und freier zu entwickeln. Nein, weil wir auch vom Wissen und den finanziellen Ressourcen weiterhin profitieren können. Aus meiner Sicht würde es Sinn machen, neue Schritte zu überlegen. In den vergangenen Jahren hat sich der europäische Frauenfußball weiterentwickelt, und in Deutschland haben wir das Gefühl, stehen geblieben zu sein. Schlussendlich geht es darum, den Frauenfußball mit den nötigen Strukturen und Ressourcen auszustatten.
Nach ihrer Babypause meinte Almuth Schult, dass der Frauenfußball werdende Mütter besser unterstützen sollte.
Die neuen Regelungen der FIFA hinsichtlich des Mutterschutzes sind meiner Meinung nach der richtige Schritt. Das kann man nur unterstützen, denn es gibt den Spielerinnen mehr Möglichkeiten, auch während der Karriere Mutter zu werden. Sie müssen sich jetzt nicht mehr zwangsläufig zwischen der Karriere oder der Familie entscheiden.
Interview: José Carlos Menzel López