München – Nun ist sie also Vergangenheit, die Hauptrunde der Basketball-Euroleague. Am Freitagabend besiegte der FC Bayern Real Madrid mit 97:88. Die Viertelfinals gegen Topfavorit FC Barcelona sind auch für Sportchef Daniele Baiesi eine Zugabe. „Ich erwarte nichts und akzeptiere alles“, sagte er im Interview.
Vor einem Jahr führte die Qualifikation für die Top-8 zu einer Gefühlsexplosion. Diesmal wirkte es gedämpfter …
Das erste Mal ist immer etwas Besonderes, das vergisst du nicht. Dazu kommt auch, dass wir im letzten Jahr 21 Siege hatten und doch bis zum letzten Spiel nicht sicher sein konnten.
In diesem Jahr wirkte die Saison wie eine Achterbahn. Bis hin zur Suspendierung der russischen Teams.
Es gibt ja Leute, die sagen: Ohne die Sache mit den russischen Teams wärt ihr nie in die Playoffs gekommen. Das mag sein, aber trotzdem haben wir einige Teams hinter uns gelassen, haben also etwas besser gemacht. Die Mannschaft hat sich diese Playoffs auf dem Feld verdient. Diese Spieler haben nie aufgegeben. Die Spieler und die Trainer haben für dieses Ziel gekämpft und haben sich das, was jetzt kommt, absolut verdient.
Und das trotz Coronausbrüchen oder Verletzungen. Hat man denn bis heute jemals gesehen, wer diese Mannschaft ist? Was sie kann?
Nein, niemals. Man weiß ja, dass unser Coach sehr viel Wert auf Details legt. Aber bisher konnte er nicht einmal, mit allen Spielern arbeiten. Nicht einmal. Wir gewinnen im Februar drei Spiele und plötzlich kommt der nächste Corona-Ausbruch. Ich weiß bis heute nicht, ob zwischen Vladimir Lucic und Darrun Hilliard eine Chemie besteht. Weil sie fast nie miteinander gespielt haben. Erst war Lucic lange raus, dann war Hilliard verletzt, dann mussten wir Spiele verlegen. Mittlerweile…
Bitte …
… ich kriege schon eine Krise wenn die Nummer unseres Arztes auf meinem Display erscheint. Einmal habe ich ihm schon gesagt: Sag mir nicht, dass sich der nächste verletzt hat. Aber da wollte er mir nur sagen, dass Nick Weiler-Babb auf dem Weg der Besserung ist.
Kann man die Mannschaft mit der des letzten Jahres vergleichen?
Nein. Schon von den Charakteren ist sie anders. Das ist eine Mannschaft von Familienvätern, von Spielern, die mit beiden Beinen im Leben und in ihren Karrieren stehen. Im letzten Jahr war das anders. Vor allem war es eine Mischung aus Spielern, die aus unterschiedlichen Gründen sich und anderen etwas beweisen wollten und mussten. Die Mannschaft hatte einen Charakter, der sehr stark meinem entspricht.
Was heißt das?
Wenn man meine Geschichte kennt, dann weiß man: Ich bin kein Ex-Spieler, ich war Journalist. Von dem her bin ich auch in meiner Heimat Italien nicht wirklich respektiert. Der Coach auch nicht, denke ich. Aber das ist ok.
Immerhin sind Sie beide die Ersten, die ein deutsches Team in die Euroleague-Playoffs führten. Und dies nun schon zweimal.
Ja, auch wenn das Gefühl diesmal in der Tat ein anderes ist. Letztes Jahr war das Gefühl „wooow“, in diesem Jahr ist es eher „puuh“. Erleichterung. Wobei Erleichterung sehr gefährlich sein kann.
Mit Blick auf das Viertelfinale? Sie bekommen es mit dem FC Barcelona zu tun. Was erwarten Sie?
Ich erwarte nichts und akzeptiere alles. Ich habe vielleicht Illusionen und Hoffnungen. Aber ich habe keine Erwartungen.
Wobei Sie im letzten Spiel in Barcelona ganz gut aussahen und nahe an einem Sieg waren.
Ja, klar. Und trotzdem: Das ist eine Mannschaft, die im letzten Jahr schon ganz knapp am Titel war. Und sie sind eher besser geworden. Sie haben das Budget, die Qualität, die Erfahrung, um das ganz große Ding zu erreichen. Sie haben die Hauptrunde bis auf ganz wenige Spiele beherrscht und stehen ja nicht ohne Grund da oben. Wenn du da mit großen Erwartungen hingehst, dann wirst du ganz schnell eine fürchterliche Bruchlandung erleben.
Interview: Patrick Reichelt