Der FC Bayern bedient sich gleich im Doppelpack bei Ajax Amsterdam: Sowohl Mittelfeldspieler Ryan Gravenberch (19) als auch Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui (24) sind im Anflug auf München. Die finanziellen Rahmenbedingungen sollen dem Vernehmen nach bereits weitgehend geklärt sein. Der deutsche Rekordmeister ist nicht erst seit dieser Saison heiß auf Spieler, die in Holland ausgebildet wurden. Sergino Dest (21) schaffte über die Jugendakademie von Ajax den Sprung in den Profi-Fußball – und gab den interessierten Münchnern im Sommer 2020 einen Korb, wechselte stattdessen nach Barcelona. Die ehemaligen Ajax-Kicker Frenkie de Jong (24/Barcelona) und Matthijs de Ligt (22/Juventus) hatten die Bayern zeitweise ebenfalls auf dem Zettel.
Aber warum produzieren die Niederlande so viele Ausnahmetalente, obwohl das Land gerade einmal knapp 18 Millionen Einwohner hat? Unsere Zeitung hat sich in Amsterdam auf Spurensuche begeben und den AVV Zeeburgia besucht. Dort hat Gravenberch seine ersten Schritte im Fußball gemacht, ehe er 2010 in die Jugendakademie von Ajax wechselte. Und auf den ersten Blick wird klar, dass Nachwuchsfußball in Holland gelebt wird: Im Vereinsheim von Zeeburgia machen die Geschwisterkinder ihre Hausaufgaben, während Bruder oder Schwester am Platz trainieren. Manche Eltern haben ihren Laptop dabei, arbeiten mobil und beobachten ihre Kinder durch die verglaste Tribüne im integrierten Vereinsheim.
„In Zeeburgia ist der Leistungssportgedanke allgegenwärtig – bei unseren Spielern und ihren Eltern. Nach diesem Leitbild wurde unser Verein konzipiert. Darüber hinaus stellten wir auch Nachhilfelehrer bereit. Die Mentalität ist das Wichtigste: Es dreht sich alles um Fußball“, erklärt Zeeburgia-Präsident Huub Wilbrink.
Das sieht man auch auf dem Gelände: Drei XXL-Kunstrasenplätze umrahmen das Klubhaus. Keine Übung wird ohne Ball am Fuß absolviert, selbst die kleinsten Kicker werden höflich, aber bestimmt von den Trainern darauf hingewiesen, ihre Hände bei den Passübungen aus den Hosentaschen zu nehmen.
Zeeburgia ist stolz auf seine Nachwuchsarbeit. An der Decke des Vereinsheims hängen zahlreiche signierte Trikots von ehemaligen Spielern, die den Sprung in den Profi-Fußball geschafft haben. Und natürlich ist dort auch das Dress von Gravenberch zu bewundern. Ryan sei schon als Kind ein außergewöhnliches Talent gewesen und „wir würden uns freuen, ihn bei einem europäischen Top-Klub zu sehen. Er hat absolut das Zeug dazu. Und der FC Bayern ist ein solcher Klub“, sagt Willbrink. Übrigens: An der kolportierten Ablöse in Höhe von 25 Millionen Euro würde Zeebrugia keinen Cent kassieren, weil Gravenberch bei seinem Wechsel von Zeeburgia zu Ajax unter zwölf Jahre alt war.
Selbst beim DFB blicken die Verantwortlichen teilweise neidisch nach Holland. Das Land gehe bei der Talent-Entwicklung „weg von der Selektion und hin zur Ausbildung. Das ist ein entscheidender Punkt. Dadurch, dass wir eine breitere Masse von Spielern haben, selektieren wir zu stark. Das machen uns diese kleineren Nationen tatsächlich vor: Sie machen aus wenig Spielern sehr, sehr viel Talent“, sagte uns Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der Nationalmannschaften.