München – Hanna-Valentina ist da – und sorgt bei Papa Marcel Bär für Glücksgefühle. Auch sportlich läuft es für Bär, 29, der auf Platz zwei der Drittliga-Torjägerliste steht und mit 1860 am 14. Mai einen Aufstiegsrausch erleben möchte wie vor zwei Jahren mit Eintracht Braunschweig. Unser Interview mit dem Jungvater, Angriffs- und Aufstiegsexperten.
Herr Bär, wie lebt es sich so zu dritt?
Sehr schön, alles bestens. Es ist ein überwältigendes Gefühl. Immer wenn ich nach Hause komme und die Kleine sehe, gibt mir das Kraft.
Freut man sich jetzt auf Hotelübernachtungen vor den Spielen oder sich die Nächte erträglich?
Es ist schon eine gewaltige Umstellung, was den Schlaf-Rhythmus angeht. Wenn die Kleine Hunger hat, wacht man automatisch mit auf, aber vielleicht gewöhne ich mir jetzt den Mittagsschlaf an, was nie so mein Ding war.
In Mannheim und Aubstadt spielten Sie, obwohl es jeden Moment hätte losgehen können. Zufall, dass es die beiden schlechtesten Spiele in den letzten Wochen waren?
Man muss schon auch die Umstände sehen, die vielen Ausfälle – und den Spielverlauf. Ob das jetzt nur mit mit zu tun hat, weiß ich nicht.
Waren Sie in dieser Phase überhaupt hundertprozentig auf dem Platz?
Naja, wenn man am Vorabend oder erst am Spieltag hingefahren wird und drei, vier Stunden im Auto sitzt, dann kann man sich natürlich nicht so vorbereiten, wie man das gerne hätte. Das Handy war rund um die Uhr an – und klar ist man dann mit den Gedanken immer ein Stück weit bei der Frau.
Am Samstag gegen Saarbrücken waren Sie dann fast schon wieder der Alte, wie man nicht nur beim 1:0 gesehen hat, das Sie mit einem Sprintdribbling vorbereitet haben.
Ich denke, diese Szenen machen mich aus. Ich suche gerne den Weg in die Tiefe und habe oft einen Tempovorteil. Leider hat es trotzdem nicht zum Dreier gereicht.
Trotzdem war es die vielleicht beste Teamleistung in der Rückrunde. Würden Sie da zustimmen?
Ja, schon, vor allem was die Geschlossenheit angeht. Ich glaube, jeder im Stadion hat gesehen, dass wir unbedingt gewinnen wollten.
Was nimmt die Mannschaft mit in die letzten sechs Spiele?
Diesen Teamspirit. Und dass wir gegen Topteams so dominant auftreten können. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass auch die Mannschaften von unten Punkte brauchen – und das auch schwere Spiele werden.
Rechnen Sie da vorher?
Nein, ich bin eindeutig der Typ, der von Spiel zu Spiel schaut, von Woche zu Woche. Ich hab so einen Aufstieg schon mal mitgemacht. Es bringt nichts, auf die Tabelle zu schauen. Du musst deine eigene Leistung bringen, die Punkte einfahren, möglichst die maximale Punktezahl – und dann kannst du die letzten zwei, drei Spiele schauen, wohin die Reise geht.
Der Trainer spricht seit zehn Tagen offen vom Aufstiegskampf, wirkt kämpferisch und trotzig-optimistisch. Teilen Sie seine Zuversicht?
Seit ich hier bei 1860 bin, habe ich noch nicht einmal das Wort Aufstieg in den Mund genommen. Ich denke, wir sind in einer guten Position. Wir haben ein Spiel weniger als Braunschweig, müssen zwar hoffen, dass die Mannschaften vor uns noch Punkte lassen, aber die Verfolgerrolle liegt uns.
Woraus kommt es in dieser Phase an?
In Braunschweig waren wir in keiner guten Position vor der Corona-Pause, Neunter, glaube ich. Dann haben wir ein Kurztrainingslager in Hannover gemacht, wo nur wir im Hotel waren. Wir haben uns hingesetzt und darüber gesprochen, dass wir besser Fußball spielen und noch mehr eine Einheit werden müssen – und danach lief’s ein fach. Das werden auch Kevin Goden und Merv (Biankadi) bestätigen.
Sind Sie und die beiden anderen Ex-Braunschweiger im Team jetzt so etwas wie Aufstiegsratgeber?
Klar teilt man gerne solche Erlebnisse, vor allem mit den jungen Spielern, die noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Ich erzähle die Story immer wieder gerne, weil es absolut überwältigend ist, wenn man die harte Arbeit einer ganzen Saison krönt. Das sind einfach tolle Momente. Deswegen ist man Fußballer geworden.
Um noch Dritter zu werden, müssen Sie Ihren Ex-Verein verdrängen, der den Relegationsplatz belegt. Wie schwer fällt das?
Überhaupt nicht. Weil es immer rein ums Sportliche geht. Wenn ich sportlich Braunschweig schlagen oder vor denen stehen kann, dann werde ich alles dafür tun. Da kenne ich keine Verwandten.
Magdeburg und Lautern sind wohl kaum noch von Platz eins und zwei zu verdrängen, oder?
Könnte man meinen. Magdeburg ist weit weg und Lautern spielt eine Megasaison. Sie wirken auch sehr stabil. Aber: Ich bin schon ein paar Jahre im Geschäft und weiß, was alles passieren kann, speziell in dieser dritten Liga.
Sie sind ja neu in der Mannschaft, die voriges Jahr unglücklich Vierter wurde. Ist das noch ein Thema in der Kabine?
Anfang der Saison hat man gemerkt, dass einige Spieler noch sehr niedergeschlagen waren. Aber jetzt ist das überhaupt kein Thema mehr. Jeder ist fokussiert auf die letzten sechs Spiele. Ich denke mal, in den Hinterköpfen wird sein: Dieses Jahr machen wir es noch besser!
Für Sie persönlich lief die Saison vermutlich zu Ihrer Zufriedenheit. 14 Treffer, Platz zwei der Torschützenliste. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Grundsätzlich bin ich schon zufrieden, aber leider habe ich das erste Saisondrittel ein bisschen vermasselt. Wenn ich da so konstant gespielt hätte wie jetzt, wäre noch viel mehr drin gewesen.
War es schwierig, Stürmer Nummer zwei hinter Sascha Mölders zu sein?
Was heißt Stürmer Nummer zwei? Ich hab’s ja schon mal gesagt, dass ich mit Sascha nie ein Problem hatte. Ich hab auch immer noch Kontakt zu ihm.
Persönliches Highlight war die Phase nach dem Mölders-Aus, als Sie ganz vorne stürmen durften und in jedem Spiel Tore und/oder Assists lieferten.
Ja, wobei man bedenken muss, dass wir da aus einer schlechten Phase kamen und das System umgestellt haben. Wir standen dann tiefer und haben auf Umschaltspiel gebaut – das kam Lexi und mir sehr zu gute. Der Sieg in Dortmund damals hat dann der ganzen Mannschaft einen Push gegeben.
Sie haben Sie noch einen Vertrag bis zum Ende der kommenden Saison. Geht’s als junger Familienvater zurück nach Braunschweig?
Dass es nach meiner Karriere zurück in die Heimat geht, haben wir klipp und klar entschieden. Meine Frau kommt von da, ich auch. Dort ist unser Lebensmittelpunkt. Trotzdem: Im Leben weiß man nie. Ein Jahr habe ich eh noch Vertrag, und alles weitere wird man sehen. Momentan sind Gespräche, die darüber hinaus gehen, eh kein Thema, nicht in dieser Phase.
Sechs Spiele sind es noch, 18 zu vergebene Punkte. Wie viele braucht Ihr Team?
Schwer zu sagen. Vier Siege sind das Minimum – und am besten keins mehr verlieren. Dass wir das im Tank haben, haben wir schon gezeigt.
Ist der Last-Minute-Schock vom 1:1 gegen Saarbrücken abgehakt?
Am liebsten hätte ich schon am nächsten Tag wieder gespielt – um das Ergebnis zu korrigieren. Aber: Als ich nach dem Spiel in die Kabine kam, waren alle Köpfe oben. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Wir haben uns kurz geschüttelt – und wollen jetzt in Freiburg gewinnen.
Interview: Uli Kellner