München – Wenn der Eishockey-Trainer Mike Stewart mit einer Mannschaft nach München kommt, löst das immer einen Alarm aus: Es kann ein langer Abend werden. Unvergessen die Halbfinals 2019, in denen Stewart, der Cowboy aus Kanada, Augsburg coachte und viele Zuschauer bei Stand Unentschieden in der dritten Verlängerung die Halle verlassen mussten, weil sie sonst nicht mehr an ihr Auto im um Mitternacht schließenden Parkhaus herangekommen wären. Gestern war Stewart mit den Grizzlys Wolfsburg im Olympiapark, doch München erlebte kein neues „Parkhausgate“. Das erste Halbfinale der Best-of-Five-Serie 2022 endete um 21.50 Uhr nach regulären 60 Minuten, der EHC München gewann 5:1 (2:0, 2:0, 1:1).
Playoff-Spiele zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie vor Spannung knistern, aber vor den Toren wenig passiert und nach zwei Dritteln noch ein 0:0 auf der Anzeige steht. Doch die Kennenlernphase dauerte diesmal nur zwölf Minuten, dann fiel schon eines jener schmutzigen Tore, wie sie häufig erst am Ende des Abends vorkommen: Wolfsburgs Torhüter Dustin Strahlmeier legte sich einen Pass von Münchens Kapitän Patrick Hager aus unmöglichem Torwinkel selbst ins Netz. Die Minuten, die auf diese Szene folgten – playoff-unpytisch: München hatte Chancen in hoher Frequenz, die Grizzlys hätten noch weitere Schüsse neben dem von Ben Street zum 2:0 (17.) treffen können.
Einen hämischen „Flie-gen-fä-nger“ schleuderten die Münchner Nordkurven-Fans Dustin Strahlmeier entgegen, der den EHC schon oft ge- und entnervt hatte und der gerade erst als „DEL-Torhüter des Jahres“ ausgezeichnet worden war. Gestern war er mal nicht brillant. Vor dem 0:3 (23./Hager) konnte er die Scheibe nicht festhalten. Nach einem Schlenzer von EHC-Verteidiger Kony Abeltshauser zum Münchner 4:0 (36.) kickte Strahlmeier ärgerlich die Scheibe mit dem Schlittschuh weg. Nach dem 0:5 (Smith/42.) übergab er an Chet Pickard.
Wolfsburg hatte längst keine Chance mehr, das erste Spiel zu drehen – zumal in Trevor Mingoia und Sebastian Furchner zwei Leistungsträger verletzt fehlten. NHL-Routinier Dave Archibald war ab der 38. Minute nicht mehr dabei, er erhielt eine Spieldauerdisziplinarstrafe, weil er den auf einen Einschlag völlig unvorbereiteten Austin Ortega rüde umfuhr.
Unter den 3721 Zuschauern am Oberwiesenfeld war Matt McIlvane, lange Assistenzcoach beim EHC gewesen und nun Chef beim Schwesterclub Salzburg. „Münchens Druck ist überragend“, analysierte er. „Wir arbeiten unheimlich hart und spielen einfach“, benannte Patrick Hager das Erfolgsrezept. Wolfsburg kam nur zum Ehrentor (Murray/53.).
Fürs zweite Spiel am Freitag in Wolfsburg haben die Grizzlys den Druck. Ihre Hoffnung: Coach Mike Stewart spielt Playoff-Serien stets über die Maximaldistanz.