Schliersee – Markus Wasmeier ist aufgewühlt. Der Krieg in der Ukraine, das Leid der Menschen beschäftigt ihn seit Wochen und beinahe 24 Stunden am Tag. „Mein Telefon ist nach vier Stunden leer, es glüht“, berichtet der Doppel-Olympiasieger 1994 in Lillehammer. Immer wieder kommen Meldungen, „die dich betreffen.“ Dem 58-Jährigen stellen sich viele Fragen: „Leben meine Bekannten noch, leben sie nicht mehr? Das ist schon sehr belastend.“
Der ehemalige Skirennläufer jammert nicht, er packt an. Eine motivierte Schar an Unterstützern steht ihm dabei zur Seite. Nur einer ziehe in seinen Augen nicht richtig mit: der Bundeskanzler. „Was der Scholz da macht, tut mir leid, das ist beschämend. Ich schäme mich vor den Ukrainern, was da abgeht“, polterte Wasmeier. Olaf Scholz solle Klartext reden „und nicht rumeiern“.
Wasmeier kann sich die Kritik erlauben. Er ist seit mehr als einem Jahrzehnt als Helfer tätig. In seinem Freilandmuseum am Schliersee hat er 2009 auf Anregung einer ukrainischen Nachbarin ein Fest veranstaltet, bei dem Ukrainer „ihre Kultur, Tanz, Kleidung und Handwerk“ präsentieren und ausleben konnten. „Daraus“, berichtet er, „sind viele Freundschaften entstanden“. Als die Freunde um Hilfe riefen, zögerte der ehemalige Ski-Star nicht lange.
Wasmeier war seit Jahren immer wieder mal auf der 2014 annektierten Krim und im umkämpften Donbass unterwegs. Im Zuge dessen hat er unter anderem 20 Krankenwägen und die Ausstattung für Krankensäle organisiert. Doch nun haben die Hilferufe eine völlig neue Dimension erreicht. Seit Russland den Krieg in der Ukraine angezettelt hat, haben Wasmeier und sein Team von der „Ukraine-Hilfe Schliersee“ keine ruhige Minute mehr. „Da ist vieles auf uns zugekommen“, so die Ski-Ikone.
Lange nachgedacht hat Wasmeier nicht. „Bitte, bitte helft uns“, hätten ihn die Freunde angefleht, „und dann fängst du an.“ Zweimal schon ist er mit 3,5 Tonnen gesammelten oder aus Spenden finanzierten Hilfsgütern selbst über die Slowakei in die Ukraine gefahren. Anfang der Woche folgt ein Transport mit insgesamt 18 Tonnen überwiegend medizinischer Ausrüstung.
Schnell haben Wasmeier und der rührige Verein „Wir helfen Menschen“ 54 Personen aus der Ukraine geholt. Mittlerweile wohnen insgesamt 200 Flüchtlinge am Schliersee. Sogar ein Bürgerbüro haben sie in der Gemeinde eingerichtet, um etwa Behördengänge oder die Wohnungssuche zu organisieren. Wasmeier selbst hat ein Ehepaar mit zwei Kindern bei sich untergebracht.
Was die Leute in Schliersee leisten, wie sie teilweise „brennen“ – das macht das ehemalige Abfahrts-Ass „schon stolz“. Selbstverständlich gäbe es Höhen und Tiefen. Schließlich leiden sie alle mit. Die Frauen und Kinder aus der Ukraine seien immer „total fertig“, wenn sie aus der Heimat schlechte Nachrichten bekämen.
Zwölf bis 15 Stunden dauere es, bis die Hilfsgüter in der Ukraine an den richtigen Stellen ankommen. Der ehemalige Skirennläufer muss schmunzeln: „Dann kriege ich auch immer Fotos“, etwa von den belieferten Krankenhäusern. „Das Schönste“ aber sei, wenn die Kinder zwei- bis dreimal die Woche in seinem Museum zusammenkämen: „Wenn du siehst, wie die spielen und lachen, weißt du: alles richtig gemacht.“
Jetzt müsste, wünscht sich der Ur-Bayer, nur der Bundeskanzler endlich mal „klare Kante“ zeigen – wie etwa Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die FDP-Verteidigungsexpertin, oder wie, „wer hätte das gedacht“, Außenministerin Annalena Baerbock. Denn die Ukrainer, verdeutlicht Wasmeier, „die kämpfen für uns“.
sid