München – Jemand, der am Center Court im richtigen Moment vorbei gelaufen wäre, hätte schon gemerkt, dass irgendwas nicht stimmte – ohne den Spielstand zu kennen. Der sonst auf dem Tennisplatz höchstens leise grantelnde Philipp Kohlschreiber hatte doch tatsächlich einen gut hörbaren Ausbruch, der mit einem an sich selbst gerichteten „Idiot“ abschloss.
Der 38-Jährige hatte gerade eine Rückhand unnötig ins Aus geschlagen und war im Tiebreak des ersten Satzes gegen Daniel Altmaier 2:3 ins Hintertreffen geraten. Der Durchgang ging schließlich auch an den 23-jährigen Deutschen, ebenso wie das gesamte Match: 7:6, 3:6, 6:1.
Für den Rekordsieger des Turniers (drei Titel) war es aller Voraussicht nach seine letzte Teilnahme bei „seiner größten Liebe im Tennis“. Noch auf dem Platz sagte er: „Die Chancen, dass das mein letzter Auftritt hier gewesen ist, stehen nicht schlecht.“
Der „München-Effekt“, er war ausgeblieben. Die Schlaglänge Kohlschreibers ist wegen der Höhenlage in der Landeshauptstadt normalerweise besser, sein Topspin gefährlicher – normalerweise.
Am Montag war vor allem der „fehlende-Rhythmus-Effekt“ auffällig. Kohlschreiber machte daraus nach dem Spiel keinen Hehl: „Auch wenn man so viel Routine hat wie ich, es fehlt mir die Matchpraxis.“ Der gebürtige Augsburger befindet sich in der letzten Phase seiner Karriere und spielt nicht mehr wöchentlich Turniere, sondern meist alle zwei Wochen.
Allerdings gestatte Altmaier es seinem Gegenüber auch nicht, in den richtigen Gang zu schalten. Der Kempener nutzte die Chancen, die sich ihm boten, und war meist der diktierende Akteur – im Stile eines Spielers, der in der Weltrangliste auf Rang 67 liegt und damit 65 Plätze besser als sein Gegner.
Weniger gnadenlos war der Rheinländer mit der ehemaligen Nummer 16 der Welt nach dem Match, als er den Unterlegenen als „eine Art älterer Bruder“, bezeichnete und ausführte: „Wir kennen uns gut, und eines darf man nicht vergessen: Er ist neben Tommy Hass vielleicht der deutsche Spieler in der Historie, der am konstantesten gespielt hat.“ Er wünsche sich, dass Kohlschreiber noch ein paar Jahre durchhalte.
Dass der Gehuldigte diesem Wunsch nachkommt – es hörte sich nach der nach der 14. Niederlage (bei 35 Siegen) Kohlschreibers am Aumeister nicht so an. „Es wird nicht mehr viele Turniere geben, die ich spiele. Die Qualifikation zu den French Open und Wimbledon, aber wenn nicht ein Wunder passiert, und ich das Ding zerreiße, werde ich nicht sagen: ich will noch mal zurück“, beschrieb er seine Gefühlslage.
2002 debütierte der damals 18-Jährige bei den BMW Open. Mindestens einen letzten Tanz von ihm wird es im Norden Münchens allerdings noch geben: am Dienstag im Doppel. Da spielt er mit dem 18-jährigen Max Rehberg, der dank einer Wildcard starten darf. Wie der älteste Spieler ist auch der jüngste Spieler des Turniers im Einzel schon ausgeschieden: der Münchner unterlag nach ansprechender Leistung bei seinem ATP-Debüt 2:6, 3:6 gegen den Serben Miomir Kecmanovic.
Außerdem steigt der dritte von vier Deutschen im Einzelfeld ein, Oscar Otte muss in der ersten Runde gegen den Qualifikanten Marko Topo aus Serbien ran.