„Sascha lernt aus Fehlern“

von Redaktion

Männer-Tennis-Chef Michael Kohlmann über Zverev und den Mangel an Topspielern

München – Deutsche Tristesse bei den BMW Open: Einzig Oscar Otte ist im Einzel noch dabei, Alexander Zverev war früh raus. Als hätten sie es geahnt, haben Anfang der Woche Philipp Kohlschreiber und Ex-Profi Michael Stich geklagt, es gebe aktuell zu wenige deutsche Topspieler. Im Gespräch mit unserer Zeitung bezieht Michael Kohlmann (48), Kapitän der deutschen Davis-Cup-Mannschaft und Head of Mens Tennis beim DTB, dazu Stellung.

Herr Kohlmann, erst zu Alexander Zverev. Wie haben Sie sein Ausscheiden aufgenommen?

Man leidet natürlich bei allen Deutschen mit, die nicht das abrufen, was sie können. Solche Partien gibt es im Jahr. Man spielt nicht immer sein bestes Tennis. Es war einfach schade, für das ganze Turnier hat man gehofft, dass er lange dabei ist. Danach hat man ja gesehen, dass es ihn selbst am härtesten trifft.

Haben Sie eine Erklärung?

Er war sehr passiv, das war am auffälligsten, und passiv spielt man meistens, wenn man sich nicht so frei fühlt.

Machen Sie sich Sorgen, dass ihm diese Niederlage nachhaltig einen Knacks gibt?

Nein. Klar hat er in dieser Saison nicht die Ergebnisse erzielt, die er sich selbst vornimmt, aber trotzdem hat er bei den großen Turnieren ordentlich gespielt. Falls es ihm ein Knacks gibt, würde man das in Madrid und Rom sehen. Aber Sascha ist schon jemand, der aus den Fehlern, die passiert sind, lernt – und das auch anpassen kann. Daher würde ich das so früh in der Saison nicht befürchten.

Zur allgemeinen Situation im deutschen Herrentennis – wie haben Sie die besorgten Äußerungen von Philipp Kohlschreiber und Michael Stich wahrgenommen?

Es ist eben so, dass wir nur einen Spieler unter den besten 50 haben. Zwischen 50 und 100 kommen dann vier andere, außerdem haben wir drei Top-Doppelspieler, dass geht manchmal ein bisschen unter. Aber uns ist das bewusst, wir können die Fakten nicht ändern. Dennoch arbeiten wir intensiv daran, die Lücke zwischen Sascha (Alexander Zverev) und dem nächsten Deutschen zu schließen.

Der nächste deutsche Spieler nach Zverev in der Rangliste ist Oscar Otte. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Ich glaube, dass das Limit bei ihm, da er sich erst in den letzten beiden Jahren so frisch nach oben gespielt hat, noch nicht festgelegt ist. So ein Sieg wie jetzt gegen Opelka zeigt, was in ihm steckt. Er hat ein unangenehmes Spiel, das macht ihn gefährlich. Die Top 50 sind allemal drin, ebenso wie bei Daniel Altmaier und sicher auch wieder bei Jan-Lennard Struff.

Diese Spieler haben sich über die letzten Jahre sukzessive nach oben gearbeitet. Ist es nicht auffällig, dass Deutschland sich schwertut, junge Spieler früh in die Weltspitze zu bringen?

Man darf nicht vergessen, dass Sascha schon sehr früh Weltklasse war. Zu sagen, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt, finde ich schwierig. Aber: Wir müssen uns auch unsere Struktur anschauen und unser Schulsystem ist eben strikt, da kommt man nicht so leicht raus. Viele Eltern sagen nun mal: Erst die Schule fertig machen. Das kann ich auch verstehen. Sascha hat früh auf die Karte Tennis gesetzt und es geschafft. Aber das ist nicht planbar.

Wer sich für die Nachwuchsarbeit ins Gespräch gebracht hat, ist Philipp Kohlschreiber. Hätten Sie ihn gerne an Bord?

Wenn erfahrene und erfolgreiche Spieler sich einbringen wollen, gibt es niemanden, der sich dagegen wehrt. Daher: jederzeit. Aber das weiß er auch.

Interview: Thomas Jensen

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