Der Becker-Prozess

Er hat nichts verstanden

von Redaktion

MATHIAS MÜLLER

Am Tag vor der Urteilsverkündung kaufte sich Boris Becker eine neue Tasche – im Londoner Luxuskaufhaus Harrods. Er, der in seiner Karriere 25 Millionen Dollar Preisgeld und nach eigener Einschätzung in etwa die gleiche Summe mit Werbung verdient hat, und gestern dennoch wegen Insolvenzverschleppung vor Gericht stand, ließ sich von einem Butler die Tür öffnen und marschierte hinein und wieder hinaus, als sei es das Normalste der Welt.

Ein Bild, das viel aussagt über seinen Charakter. Becker hat auch etwa fünf Jahre nach dem Beginn des Insolvenzverfahrens nicht verstanden, um was es geht. Oder noch viel schwerwiegender: der Tennis-Star denkt nach wie vor, über den Dingen zu schweben.

Dass er in den Verhandlungen keine Reue zeigte, war Teil der Strategie seiner Anwälte, die ihn als naives Opfer darstellen wollten, der mit Geld nicht umgehen kann. Aber ist das realistisch für einen Menschen, der bereits 2002 wegen Steuerhinterziehung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war? Der also gewarnt sein sollte. Für jemanden, der sich in den sozialen Medien als Entrepreneur – also als Unternehmer – bezeichnet? Wohl kaum. Und deswegen ist es umso schlimmer, dass er sich auch außerhalb des Southwark Crown Courts keiner Schuld bewusst ist.

Sein gestriger Auftritt war noch einmal typisch Becker. Er kämpfte bis zum Schluss. An der Hand von Freundin Lilian stakste der Leimener bemüht entspannt seinem Schicksal entgegen. Der Schlinge um seinen Hals, die sich in den vergangenen Wochen immer enger zog, setzte er eine lila-grüne Wimbledon-Krawatte entgegen. So, als wollte er sagen: „Seht her! Ich bin es doch, euer Bum-Bum-Boris.“

Sicher, seine sportlichen Leistungen werden trotz des Dauer-Chaos in seinem Leben (Geldprobleme, zwei teure Scheidungen, vier Kinder von drei Frauen) immer unvergessen bleiben. Und dem 17-jährigen Jüngling von damals hätte man ein Stück Naivität sicher nachgesehen. Dem 54-jährigen Boris Becker aber nicht.

Und deswegen ist das Urteil von Richterin Deborah Taylor -– zweieinhalb Jahre ohne Bewährung – gerechtfertigt und im erwartbaren Rahmen. Auch Boris Becker steht nicht über dem Gesetz. Wie es nun weitergeht? Vielleicht zeigt er sich endlich reumütig.

mathias.mueller@ovb.net

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