München – Die Konkurrenz immerhin streckte sicherheitshalber schon einmal die Waffen. „Ich glaube, damit haben sie schon die Meisterschaft eingetütet“, sagte Jaron Siewert, der Coach der Füchse Berlin nach dem 27:28 beim SC Magdeburg. Nun gut, beim Sieger sieht man das noch anders. Aber die Chancen stehen bestens, dass die Bundesliga am 12. Juni mal wieder einen Meister feiert, der nicht Kiel oder Flensburg heißt.
Sechs Minuspunkte Vorsprung vor Verfolger THW Kiel nimmt der SC Magdeburg nun in die verbleibenden sieben Spiele mit. Die Duelle mit dem Topclubs hat man allesamt schon abgehakt. Viel spricht also dafür, dass am Ende tatsächlich SCM-Kapitän Christian O’Sullivan die Meisterschale stemmen wird. Und damit die, nach dem Zweitliga-Aufstieg der FC-Fußballer ohnehin schon schwer euphorisierte Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt endgültig zur Partyzone macht.
Für die Ballwerfer wäre es der Höhepunkt eines bemerkenswerten Siegeszugs. Die European League hat der SC Magdeburg gewonnen, gestern zog man durch ein 30:28 über Nantes erneut ins Final4 ein. Gegen den großen FC Barcelona angelte man sích die Club-WM. Und nun winkt der Titel in der besten Handball-Liga der Welt.
Das ist schon eine ziemlich märchenhafte Entwicklung für einen Club, der vor gut einem Jahrzehnt noch hauchdünn an der Insolvenz vorbeigeschrammt war. Doch Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt kennt das Erfolgsrezept: „Wir stehen für Kontinuität“. Der gelernte Banker aus dem Rheinland lebt sie selbst vor, seit 2010 lenkt er die Geschicke des Vereins und ist damit auch das Gesicht der wirtschaftlichen Konsolidierung.
Das sportliche dagegen heißt Bennet Wiegert. der 40-Jährige hat in sieben Jahren als Coach vielleicht nicht unbedingt ein Starensemble geformt, aber das derzeit eben am besten funktionierende Team. Und nicht nur für Schmedt ist Wiegert eine der heißesten Personalien der Handball-Welt. Die Erfolge haben Begehrlichkeiten geweckt. Doch die Chancen sind gering. Der Sohn von Magdeburgs Handball-Legende Ingolf Wiegert fühlt sich pudelwohl beim SCM, der ihn auch mit einer außergewöhnlichen Allmacht ausgestattet hat. Der fünfmalige Nationalspieler ist auch Sportdirektor.
Und in beiden Rollen vertraut man ihm. Dieser Tage verlängerte der heftig umworbene Kreisspieler Magnus Saugstrup bis 2026. Der Däne wandelt damit auf den Spuren von Landsmann und Torhüter-Routinier Jannick Green, der schon seit 2014 ein Magdeburger ist. Um Eckpfeiler wie ihn oder Rechtsaußen Daniel Petterson (seit 2016) entwickelt Wiegert sein Team Jahr für Jahr weiter. So wie zur laufenden Saison, für die er Kreativgeist Philipp Weber aus Leipzig an die Elbe lockte.
Wie lange so eine Herangehensweise funktioniert, das ist eine Frage, die sich Bennet Wiegert nicht stellen will – der 40-Jährige genießt den Augenblick. Grundsätzlich hält er es mit Fußball-Trainerkollege Jürgen Klopp, der einmal sagte, man müsse alle sechs Jahre entweder das Team oder den Trainer auswechseln. „Wobei ich im Zweifel lieber das Team wechsele“, sagte Wiegert Augen zwinkernd. Gute Argumente hat er für sich.