München – Einige Spieler sind ziemlich verbeult.
Maxi Kastner (München) hat drei rote Schrammen unterm rechten Auge. Andenken an einen hohen Stock, den er im ersten Spiel (4:3 für den EHC) abbekam. Fragen zu seinem Gesundheitszustand weist er zurück: „Es sind Playoffs!“
Manuel Wiederer (Berlin) ist an der linken Augenbraue getackert – die Spur einer Schlägerei mit dem Münchner Patrick Hager im zweiten Spiel (3:2 n.V. für die Eisbären). Doch er wird für sein Team immer wichtiger, mittlerweile spielt er im ersten Sturm.
Zach Boychuk (Berlin) ging im zweiten Drittel des dritten Finales (2:1 für Berlin) in gebückter Haltung in die Kabine, ihm war Trevor Parkes vom EHC, den Schläger quer gehalten, in die Rippen gerauscht. Dass Boychuk nicht mehr zurückkam, ist ein schlechtes Zeichen, doch sein Trainer Serge Aubin sagt: „Wir werden ihn definitiv mit nach München nehmen.“
In der Olympia-Eishalle steigt am Mittwoch um 19.30 Uhr (Magentasport) das Spiel, das das letzte der Best-of-Five-Finalserie sein kann. Den Eisbären Berlin fehlt ein Sieg zur Meisterschaft, der EHC München will zunächst einmal das Szenario abwenden, dass das Gast-Team auf seinem Eis Party macht. Der EHC möchte ein fünftes Spiel erzwingen – es wäre am Donnerstag in Berlin –, eine zweite letzte Chance.
Wie bereitet man sich vor auf das vierte Spiel in sechs Tagen – mit Akteuren, die auf der Rille laufen? „Erholung, Erholung, Erholung. Und gut essen“, sagt Münchens Trainer Don Jackson. „Und genügend Flüssigkeit aufnehmen“, fügt sein Berliner Kollege Aubin an. Woher die Beteiligten jetzt noch die Kraft bezögen, wurde Aubin am Montagabend gefragt. Er klopfte sich auf die linke Brustseite: „Aus einem riesigen Herzen.“
Die Berliner sind einen Schritt näher dran am Pokal, den DEL-Chef Gernot Tripcke in München dabeihaben wird. Doch auch die Eisbären kennen den alten Spruch, dass der letzte Sieg, den man benötigt, der ist, der am schwersten fällt. Warum das so ist, erklärt Serge Aubin. Jedes Spiel war knapp, „ich erwarte nichts anderes fürs nächste“. Und: Der Gegner würde „desperate hockey“ spielen. Was wie folgt zu übersetzen ist: Er wird zum Äußersten entschlossen sein.
In acht Don-Jackson-Jahren steht der EHC München zum fünften Mal in einem DEL-Finale. 2016 und 17 gewann er gegen Wolfsburg mit 4:0 und 4:1 – da wurde noch Best-of-Seven gespielt. 2018 traf er auf die damals von Uwe Krupp gecoachten Eisbären und musste über die vollen sieben Spiele gehen (nachdem er schon 3:1 geführt hatte). 2019 startete München mit einem Auswärtssieg in Mannheim in die Serie, verlor aber dann vier Partien nacheinander. In der letzten war der EHC aber sehr wehrhaft, schaffte es nach 0:3- und 1:4-Rückstand in die Verlängerung.
Auf den Erfahrungsschatz seiner Mannschaft baut Jackson nun. Auf die Mentalität, mit der sie aus der großen Krise dieser Saison herausgekommen und sich von Platz sechs auf zwei gesiegt hat. Vieles kann ein Trainer beeinflussen, alles nicht. Auch Glück ist ein Faktor. Glück wäre, einmal das Team zu sein, das in den Finals in Führung geht.
Dieses Gefühl erlebte der EHC in lediglich 5:57 der bisher gut 203 Minuten – das sind 2,9 Prozent der Spielzeit. Es war gegen Ende des ersten Spiels. Die Eisbären lagen 63:24 Minuten vorne (31,1 Prozent). 134:16 Minuten stand es unentschieden. München befand sich also stärker unter Spannung als die Berliner, Diesen mentalen Stress muss der EHC aus dem Kopf spielen und „glauben“, so Jackson, „dass wir gewinnen werden“.