„Weißt du, dass du gerade heulst?“

von Redaktion

„Badesalz“-Comedian Henni Nachtsheim über seine große Liebe Eintracht Frankfurt

München – Sie sind seit vier Jahrzehnten der lebende Beweis, dass auch hessische Comedy funktionieren kann. Immer wieder wagte das Duo Badesalz, das am heutigen Freitag (20 Uhr, Zirkus Krone) in München gastiert, auch Ausflüge in den Fußball. Aus gutem Grund – zumindest Henni Nachtsheim ist ein glühender Eintracht-Frankfurt-Fan.

Ihr derzeitiges Programm heißt „Kaksi Dudes“ – „zwei Kumpel“, wie Kenner der finnischen Sprache wissen. Würde der eingefleischte Eintracht-Frankfurt-Fan, der Sie sind, das Programm in diesen Tagen anders nennen?

Nein, es würde genau so heißen. Ich bin ein Riesen-Eintracht-Fan. Aber mein Partner Gerd Knebel hat mit Fußball überhaupt nichts am Hut.

Kann man mit Ignoranten arbeiten?

(Lacht) Ja, das geht tatsächlich. Er nimmt das ja auch ganz freundlich an. Gerd wird auch das Endspiel nächste Woche mit mir anschauen. Aber inhaltlich spielt der Fußball bei uns nur eine untergeordnete Rolle. So wie damals bei dem Anthony-Sabini-Sketch, der ganz bekannt geworden ist.

Wie geht es Ihnen? Was löst die Europa League bei Ihnen aus?

Ich gehöre ja schon einer älteren Generation an, so dass ich auch das Finale 1980 miterlebt habe. Ich war sogar im Stadion gegen Mönchengladbach, auf der Seite, auf der Fred Schaub das Tor erzielt habe. Aber das elektrisiert alle in Hessen. Ich kenne Menschen, mit denen kannst du nicht mehr normal reden,

Man weiß, dass Sie Eintracht-Fan geworden sind aus Verehrung zu Bernd Hölzenbein, Jürgen Grabowski & Co. – wem würden Sie heute verfallen?

Ah, das geht eigentlich gar nicht. Ich war ja eigentlich Köln-Fan. Aber mein erstes Spiel im Stadion war Frankfurt gegen Köln. Da habe ich Grabowski spielen sehen und war hin- und weg. Ich habe meinen FC-Schal über den Zaun gehängt und mir einen Eintracht-Wimpel gekauft. Mich hat diese Leichtigkeit fasziniert, mit der er gespielt hat. Einmal, nur einmal wollte ich so spielen. Später habe ich das große Glück gehabt, ihn kennenzulernen und wir haben uns angefreundet. Dass er nun gestorben ist, hat mich total geschockt. Da täte ich mir schwer, ähnliche Liebe zu verteilen.

Was würde ein Europapokalsieg im Jahr des Todes bedeuten?

Schöne und gute Frage. Das wäre emotional nicht mehr zu toppen. Man hat das ja schon gegen Barcelona gesehen, da wurde die Choreo nur Jürgen Grabowski gewidmet.

Aber die Eintracht scheint auch die Generation nach Grabowski zu begeistern. Woran liegt das?

Irgendwie ist die Eintracht einfach identitätsstiftend. Wenn mir jemand die Vorfahrt nimmt, dann würde ich hupen und mich aufregen. Aber wenn ich den Adler-Aufkleber sehe, dann ist alles gut. Das ist so eine große gemeinsame Liebe. Wenn man die Videos aus Barcelona geshen hat, wo 30 000 Leute in Orange durch die Stadt ziehen. Wo gibt es das schon?

Wobei die Fangemeinde nicht nur positiv auffällt …

Ja, das mag sein. Wobei ich den Fokus nicht angemessen finde. Es gibt diese Hooligans, aber das ist eine absolute Minderheit, die man meiner Meinung nach mit Missachtung strafen sollte. Die breite Mehrheit geht das alles mit viel Emotion und Herz an.

Und hat aber auch einen nicht immer beliebten Wettbewerb angenommen.

Klar, zumal es halt auch noch etwas Besonderes ist. Das habe ich ja selbst gemerkt, als die Eintracht gegen Bayern den DFB-Pokal gewonnen hat. Ich bin auf den Knien in der Wohnung herumgerutscht. Meine Freundin sagte mir: Weißt du, dass du gerade heulst? Ich bin bestimmt kein Bayern-Feind, als Bayern in Lissabon die Champions League gewonnen hat, habe ich mir das auch angeschaut und war begeistert. Aber wie funktioniert Emotion, wie funktioniert Liebe in einem Verein, der alles gewinnt? Das ist bei der Eintracht zwangsläufig anders. Auch wenn die Fallhöhe zur Bundesliga in diesem Jahr schon extrem ist. Aber das sei mit der Europa League entschuldigt. Und …

… bitte?

Natürlich freut mich die Identifikation. Wir sind da ein fester Bestandteil. Wenn ich denke, wie viele wildfremde, große Männer mich beim Spiel gegen West Ham geküsst haben, oder wie oft ich auf die Eintracht angesprochen werde, jetzt, wo man wieder ohne Maske herumlaufen kann. Wir gehören da ein bisschen zu den Traditionsvereinen in der Comedy-Bundesliga.

Wenn es denn klappt in der nächsten Woche – was machen Sie?

Ich werde eher nicht nackt, in die Eintracht-Fahne gehüllt, durch die Nachbarschaft laufen. Aber gefühlt schon.

Interview: Patrick Reichelt

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