Paris – Jürgen Klopp hat in der Stadt der Liebe nur Augen für den Henkelpott. „Wir wollen diesen Pokal. Wir wollen ihn so sehr“, sagt der Boss des FC Liverpool vor dem größten Showdown des europäischen Clubfußballs am Samstag in Paris. Ruhm, Ehre und viel, viel Geld stehen auf dem Spiel, wenn die gierigen Reds mit Stars wie Mohamed Salah und Sadio Mané vier Jahre nach dem verlorenen Champions-League-Finale die abgezockten Altmeister von Real Madrid um Toni Kroos und Karim Benzema zur Revanche bitten.
„Die ganze Welt wird an diesem Abend Rot oder Weiß sein“, sagt Klopp über das mit Spannung erwartete Endspiel im Stade de France (21.00 Uhr/ZDF und DAZN). Rot, das ist der FC Liverpool, der die 73,5 cm große Trophäe zum sechsten Mal holen und nach den Triumphen im FA Cup und Liga-Pokal das Pokal-Triple vollenden kann. Weiß, das sind die Comeback-Könige und Rekordsieger von Real Madrid, die mit ihren Mentalitätsmonstern schon PSG, Chelsea und Manchester City nach spektakulären Aufholjagden in dieser Saison aus dem Weg geräumt haben.
Auf dem Papier ist Liverpool Favorit, doch Klopp ist gewarnt. „Wenn man nur ihre letzten Minuten sieht, ist Real unschlagbar. Ihre Comebacks waren beeindruckend“, sagt der 54-Jährige über den steinigen Weg des 13-maligen Titelträgers ins Finale. Seine Hoffnung: „Wenn sie so über 90 Minuten spielen würden, würde es kompliziert. Aber zum Glück gibt es noch 88 andere Minuten.“
Die Routine ist Reals größtes Faustpfand – gleich acht Spieler können zum fünften Mal die Champions League gewinnen und so den Rekord von Cristiano Ronaldo einstellen. Neben Toni Kroos sind dies Benzema, Gareth Bale, Casemiro, Daniel Carvajal, Marcelo, Nacho Fernandez und Luka Modric. „Madrid ist der erfahrenste Gegner, den man bekommen kann“, sagt Klopp: „Aber auch wir sind nicht durch Zauberei hierhergekommen. Wir verdienen es.“
Vor allem auf Benzema, der in der K.o.-Runde mit Dreierpacks gegen PSG und Chelsea sowie einem Doppelpack gegen Manchester herausragte, wird es im Stade de France ankommen. An seiner Motivation ließ er keinen Zweifel. „Die glauben wohl schon, dass sie das Spiel gewonnen haben“, sagte der nicht immer pflegeleichte Stürmer und meinte insbesondere sein Gegenüber Mohamed Salah, der vollmundig eine Revanche für das verlorene Champions-League-Finale von 2018 angekündigt hatte. Aber nicht mit Benzema: „Salah kann sagen, was er will. Diesmal wird es ein ganz anderes Spiel.“
Ex-Bayer Xabi Alonso hat für beide Vereine gespielt. „Ich liebe es, wenn Jürgen Klopp sagt, dass seine Spieler „Mentalitätsmonster“ sind“, sagt der 40-jährige Spanier vor dem Finale. „Aber im Finale muss Liverpool große Mentalität zeigen. Denn Real Madrid – das sind die anderen Mentalitätsmonster.“ Auch wegen Karim Benzema, der mit seinen 34 Jahren derzeit als bester Stürmer, wenn nicht sogar bester Fußballer der Welt gilt.
Für seinen Trainer Carlo Ancelotti wird die Partie das „wichtigste Spiel in der Welt des Fußballs“. Der Italiener muss es wissen: Ancelotti kann nach den Triumphen mit dem AC Mailand (2003, 2007) und Real (2014) zum vierten Mal den Titel holen – auch das ein Rekord.
Vor vier Jahren, als Real das Endspiel gegen Liverpool nach zwei Patzern von Torhüter Loris Karius 3:1 gewann, war Ancelotti dagegen nicht dabei – anders als Klopp. „In Deutschland sagen wir: Man trifft sich immer zweimal im Leben. Das klingt mehr wie eine Bedrohung, als es eigentlich gemeint ist“, sagte Klopp. Von einer Rache für jenes Finale, in dem Salah schon nach einer halben Stunde nach einem Zweikampf mit Sergio Ramos verletzt vom Feld musste, könne keine Rede sein. „Natürlich möchte ich das geradebiegen. Ich glaube aber nicht an Rache. Rache ist immer eine schlechte Idee“, so Klopp.
Die Bühne ist bereitet: Paris ist seit Tagen von Fans überflutet, aus Liverpool werden bis zu 40 000 Anhänger ohne Ticket erwartet. Rund um den Eiffelturm herrscht die Farbe Rot vor, Jürgen Klopp hat für all das keine Augen. „Was zählt, ist der Pott“, sagt er: „Man weiß nie, wie oft man ein Finale erreicht. Am Ende kann es nur einen geben.“ sid